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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 16:43 Uhr
von Markus Roth
1. Bedeutung und Entwicklung von Investmentgesellschaften
Investmentgesellschaften dienen der gemeinsamen Anlage insbesondere in Wertpapiere und ermöglichen eine Risikostreuung auch bei der Anlage kleinerer Beträge. Ende 2007 wurden in Europa knapp EUR 8 Bill. (EUR 7.909 Mrd.) von Investmentgesellschaften gehalten. Infolge der Finanzmarktkrise hat sich das von Europäischen Investmentfonds verwaltete Vermögen verringert, verringert, zum dritten Quartal 2008 um etwas mehr als eine Billion Euro auf EUR 6.844 Mrd., zu Ende 2008 sogar um fast zwei Billionen Euro auf EUR 6.142 Mrd. Zurückgegangen ist insbesondere das von Aktienfonds verwaltete Vermögen. Bemerkenswert bleibt, dass sich bei Investmentfonds bereits ein europäischer Markt herausgebildet hat. Der größte europäische Markt für Investmentfonds ist Luxemburg, gefolgt von Frankreich, Irland und dem Vereinigten Königreich. Luxemburg war 2006 nach den USA weltweit der zweitgrößte Standort für Investmentfonds. Der größte Teil des in Europa von Investmentfonds verwalteten Vermögens fällt unter die entsprechende europäische Richtlinie, Ende 2008 waren dies EUR 4.593 Mrd.
Die Anfänge des Investmentgeschäfts können in das 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in den USA das Treuhandgeschäft eng verbunden mit dem Versicherungsgeschäft ausgeübt und Banken als „Trust & Banking Company“ gegründet. In Europa sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erste Investmentgesellschaften in Schottland und England entstanden. Als Trust Companies bezeichnet, fanden sie später in Kontinentaleuropa, in der Schweiz und in den Niederlanden Verbreitung. In Deutschland bestanden wohl erst in den 1920er Jahren zwei Einrichtungen, die als Investmentgesellschaften bezeichnet werden können. Anfang der 1930er Jahre wurde dann in der Zweiten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen versucht, so genannte Kapitalverwaltungsgesellschaften zu etablieren. Letztlich wurden damit die steuerlichen Hürden durch die Regelung der Kapitalverwaltungsgesellschaft aber nur gemildert, die Investmentgesellschaften konnten sich in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg nicht durchsetzen. Umfassend geregelt wurden Investmentgesellschaften in den USA durch den Investment Company Act 1940 sowie in Deutschland durch das 1957 verabschiedete Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften.
2. Europäische Regelungen
Auf europäischer Ebene sind Investmentfonds Gegenstand der seit 1985 erlassenen und seitdem mehrfach geänderten OGAW-RL (RL 85/ 611). Die OGAW-RL, die Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, war eine der ersten Richtlinien zur Verwirklichung des Binnenmarktes und sieht insbesondere einen einheitlichen europäischen Pass für Investmentfonds vor. Derzeit erfolgt eine grundlegende Überarbeitung dieser Richtlinie. Dazu hat die Kommission im November 2006 ein Weißbuch vorgelegt. Gegenstand der Überarbeitung ist etwa die Frage, ob auch für bislang nicht harmonisierte Investmentfonds, insbesondere für offene Immobilienfonds, gemeinsame Regelungen und damit ein gemeinsamer europäischer Pass zu schaffen sind. Weiter soll die Anlage von professionellen Anlegern in Nicht-Publikumsfonds erleichtert und solche grenzüberschreitenden Geschäfte liberalisiert werden. Neu geschaffen werden sollen Regeln zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Fusion von Investmentfonds.
Mit einem Entwurf der Kommission vom Juli 2008 (KOM(2008) 458 endg.) soll der Text OGAW-RL konsolidiert und die OGAW-RL selbst vorsichtig weiterentwickelt werden. In den Text der OGAW-RL sollen die zahlreichen Änderungen der OGAW-RL seit 1985 integriert werden. Im Entwurf der Kommission für Neufassung der OGAW-RL enthalten sind Regelungen für die nationale und grenzüberschreitende Verschmelzung. Für eine Verschmelzung soll die Zustimmung von 75 % der Anteilsinhaber ausreichen, wenn das nationale Recht eine Zustimmung der Anteilsinhaber vorsieht. Weiter werden neue Vorschriften für Master/Feeder-Strukturen vorgesehen, bei denen ein OGAW (Feeder-OGAW) sein gesamtes oder nahezu gesamtes Vermögen in einen anderen OGAW (Master-OGAW) investiert. Einen weiteren Schwerpunkt bilden neue Bestimmungen über die wesentlichen Anlegerinformationen. Vereinfacht und verbessert werden sollen die Meldevorschriften, die den europaweiten Vertrieb der in einem Mitgliedstaat zugelassenen OGAW erst ermöglichen. Dem Entwurf der Kommission hat das Europäische Parlament im Januar 2009 mit einigen Änderungen zugestimmt (P6_TA(2009)0012). Danach können für grenzüberschreitende Verschmelzungen keine strengeren Quoren vorgesehen werden als für inländische Verschmelzungen.
Konkret sind Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere (OGAW) diejenigen Organismen, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung anzulegen und deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Die Organismen für gemeinsame Anlage in Wertpapieren können nach einzelstaatlichem Recht die Vertragsform (von der Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form eines trust (unit trust) oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft) wählen. Die Anlage hat nach dem Grundsatz der Risikostreuung zu erfolgen. Die Anlagegrundsätze und ‑schranken werden in der Richtlinie sowie in einer Durchführungsrichtlinie näher ausgeführt. Wertpapiere im Sinne der OGAW-RL sind Aktien und andere, Aktien gleichwertige Wertpapiere, Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel sowie alle anderen marktfähigen Wertpapiere, die zum Erwerb von Wertpapieren im Sinne der Richtlinie durch Zeichnung oder Austausch berechtigen. Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere (OGAW) bedürfen der Zulassung. Die Zulassung gilt für sämtliche Mitgliedstaaten. Die Verwahrung des Vermögens eines OGAW ist einer Verwahrstelle zu übertragen.
3. Historische Entwicklung ausgewählter nationaler Regeln
Kennzeichnend für die deutsche Regelung der Investmentfonds, zunächst im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften und nunmehr im Investmentgesetz, ist die Verwaltung mehrerer Sondervermögen durch eine Kapitalanlagegesellschaft, vor allem aber das sogenannte Investmentdreieck. Neben der Kapitalanlagegesellschaft und dem Anleger ist die Depotbank zwingend Teil des Investmentdreiecks. Die Kapitalanlagegesellschaft hat die Depotbank mit der Verwahrung von Sondervermögen und der Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen zu beauftragen. Die Einschaltung einer Depotbank findet ihr Vorbild im US-amerikanischen Investment Company Act 1940, nach dem unit investment trusts eine Bank als trustee bzw. custodian bestellen müssen. Auch in der Folge der deutschen Regelung von Kapitalanlagegesellschaften sieht die OGAW-RL eine Verwahrstelle vor, der auch Kontrollaufgaben obliegen. Die Rücknahmepflicht und das Verbot der Kreditaufnahme wurden auch im Hinblick US-amerikanischer Vorbilder vorgesehen und fußt nunmehr auf der OGAW-RL.
In England war die OGAW-RL Anstoß für die Schaffung von Investmentaktiengesellschaften. Weiter entwickelt wurden auch die traditionellen unit trust schemes, in denen die Vermögenswerte als trust für die Anleger gehalten werden. Um auch diesen unit trust schemes die Teilnahme am Binnenmarkt mithilfe des einheitlichen Passes zu ermöglichen, wurden besondere Vorschriften für authorsised unit trust schemes geschaffen. Nach dem Financial Services and Markets Act 2000 sind zur Einhaltung der Regelungen der OGAW-RL insbesondere die Funktionen des trustees und des managers eines unit trusts zu trennen.
In Luxemburg wurde der erste Investmentfonds in den 1950er Jahren gegründet. Reguliert sind Investmentfonds nunmehr im Loi du 20 décembre 2002 concernant les organismes de placement collectif. Die der OGAW-RL unterfallenden Gesellschaften werden als OPCVM, als Organisme de placement collectif en valeurs mobilières soumis à la directive 85/611/CEE, bezeichnet. Bereits seit 1980 und damit deutlich länger als in anderen Mitgliedstaaten geregelt sind Investmentaktiengesellschaften, die als SICAF, als Société d’investissement à capital variable, bezeichnet werden.
In Frankreich werden die Investmentfonds im Code monétaire et financier reguliert, Art. L 214-1-146. Betont wird im französischen Schrifttum weiter die Regulierung durch die französische Finanzmarktaufsicht AMF, die Autorité des marchés financière. Wie in Luxemburg werden Investmentaktiengesellschaften, als SICAF, als Société d’investissement à capital variable, bezeichnet, weiter gibt es die Form des FCP, des Fonds communs de placement.
4. Publikums- und Spezialfonds
Europarechtlich geregelt sind nur OGAW, die beim Publikum beschaffte Gelder gemeinsam anlegen wollen. Mit Publikumsfonds und Spezialfonds bestehen grundsätzlich zwei Formen von Kapitalanlagegesellschaften. Die Verwaltung in Publikumsfonds ist eine Unterform der standardisierten Vermögensverwaltung. In Deutschland dem Investmentgesetz unterliegende Spezialfonds werden insbesondere von Institutionen der privaten Altersvorsorge als spezielles Anlagevehikel benutzt, in dem Vermögenswerte gebündelt verwaltet werden. Dabei erfolgt eine Ausrichtung dieser Anlagevehikel auf eine besondere Anlagestrategie. Keine Anlage in Wertpapiere erfolgt bei einem Immobilienfonds, so dass dieser nicht unter die OGAW-RL fällt.
5. Investmentfonds zur Altersvorsorge
Der Einsatz von Investmentfonds zur privaten Altersvorsorge ist bislang auf europäischer Ebene nicht geregelt. Die Kommission würdigt aber die größere Bedeutung der Investmentfonds für die Altersvorsorge im Weißbuch für den Ausbau des Binnenmarktrahmens für Investmentfonds. International möglich ist eine Investition in Investmentfonds im Rahmen der individuellen und betrieblichen Altersvorsorge insbesondere, wenn keine (biometrischen) Garantien gegeben werden müssen. Die europäische Investmentbranche hat darauf aufbauend eine Studie zu reinen Beitragszusagen (defined contributions) bei der betrieblichen Vorsorge vorgelegt. In Deutschland muss bei einer steuerlichen Förderung die Rückzahlung der eingezahlten Beiträge garantiert werden, dies gilt auch bei einer individuellen Vorsorge im Rahmen der Riester-Rente. Eine reine Beitragszusage ist in Deutschland, anders als international üblich, betriebsrentenrechtlich nicht zugelassen.
In Deutschland sind die nicht mit der Riester-Rente zu verwechselnden Altersvorsorge-Sondervermögen in einem speziellen Abschnitt des Investmentgesetzes geregelt. Altersvorsorge-Sondervermögen dürfen nicht für eine begrenzte Dauer aufgelegt werden, sie dürfen ihre Erträge nicht ausschütten und unterliegen speziellen Anlagebestimmungen. Die Anlagebestimmungen sehen unter anderem Höchstgrenzen für die Anlage in Aktien und Immobilien-Sondervermögen vor, insgesamt müssen aber über die Hälfte des Sondervermögens in diesen beiden Anlagekategorien investiert werden. Die Kapitalanlagegesellschaft hat dem Altersvorsorge-Sparer einen Altersvorsorge-Sparplan anzubieten. Die Bezeichnung des Altersvorsorge-Sondervermögens ist wie andere Bezeichnungen im Investmentrecht besonders geschützt. Praktisch spielen Altersvorsorge-Sondervermögen bislang nur eine untergeordnete Bedeutung. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass sie nicht als Altersvorsorge nach dem Betriebsrentengesetz anerkannt sind.
6. Publizität
Nach der OGAW-RL sind Prospekte und periodische Berichte zu veröffentlichen. Als Information nach der OGAW-RL zur Verfügung zu stellen sind ein vereinfachter Prospekt und ein vollständiger Prospekt, ein Jahresbericht sowie ein Halbjahresbericht. Der vereinfachte Prospekt ist potentiellen Zeichnern vor Vertragsschluss kostenlos anzubieten. Die Angaben von wesentlicher Bedeutung im vereinfachten sowie im vollständigen Prospekt sind auf dem neuesten Stand zu halten. Nur nach der OGAW-RL, nicht aber für Versicherungsunternehmen, wird die Information über die Anlagepolitik vorgesehen. Der Entwurf der Kommission für eine Neufassung der OGAW-RL vom Juli 2008 sieht auch eine Neufassung der Informationspflichten vor. Vorgesehen ist nach der Fassung des Parlamentes, dass der Prospekt auch auf einem dauerhaften Datenträger oder auf einer Webseite zur Verfügung gestellt werden kann, eine ausgedruckte Kopie ist den Anlegern auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.
Literatur
Hanns Linhardt, Die Britischen Investment Trusts, 1935; Günther H. Roth, Das Treuhandmodell des Investmentrechts, Eine Alternative zur Aktiengesellschaft?, 1972; Bevis Longstreth, Modern Investment Management and the Prudent Man Rule, 1986; Kam Fan Sin, The Legal Nature of the Unit Trust, 1997; Michael Blair, George Walker (Hg.), Financial Services Law, 2006; Malte Reiss, Pflichten der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank gegenüber dem Anleger und die Rechte des Anlegers bei Pflichtverletzungen, 2006; Claude Kremer, Isabelle Lebbe, Organismes de placement collectif et véhicules d’investissement apparantés en droit luxemburgeois, 2. Aufl. 2007; Dirk Zetzsche, Zwischen Anlegerschutz und Standortwettbewerb: Das Investmentänderungsgesetz, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft 2007, 438 ff; Jürgen Baur, Thorsten Ziegler, Das Investmentgeschäft, Sonderdruck aus Bankrecht und Bankpraxis, 2008; Alice Pezard, Code monétaire et financier, 4. Aufl. 2009; Markus Roth, Private Altersvorsorge: Betriebsrentenrecht und individuelle Vorsorge: Eine rechtsvergleichende Gesamtschau, 2009.