Culpa in Contrahendo und Código civil: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Jan von Hein]]''
von ''[[Christian Eckl]]''
== 1. Einleitung ==
== 1. Entstehungsgeschichte ==
Die Europäisierung des Vertragsrechts, insbesondere die Arbeit am Draft [[Common Frame of Reference|DCFR]], steht vor der grundlegenden Frage, welche Fälle überhaupt in das Vertragsrecht gehören und welche hingegen dem [[Deliktsrecht: Allgemeines und lex Aquilia|Deliktsrecht]] – oder gar einer sog. „dritten Spur“ zwischen Vertrag und Delikt – zuzuweisen sind. Bruchlinien zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zeigen sich insbesondere bei der Qualifikation der vorvertraglichen Haftung, der ''culpa in contrahendo'' (c.i.c.).
Als Spanien gegen Ende des 15. Jahrhunderts politische Einheit erreichte, existierten vielfach örtlich geltende Zivilgesetze, die sogenannten Foralrechte (''fueros''), die sich in den verschiedenen Territorien des Landes relativ selbständig entwickelt hatten. Das königliche Recht, das weitgehend mit dem historischen Recht von Kastilien identisch war, kam dort als subsidiäres Recht (''derecho común) ''zur Anwendung. Es wurde in wenig systematischen Sammelwerken mit Gesetzgebung unterschiedlicher Herkunft veröffentlicht (''recopilaciones''). Die 1567 von ''Phillip II.'' verabschiedete ''Nueva Recopilación ''etwa stützte sich auf die unter ''Isabella I. von Kastilien'' und ''Ferdinand II. von Aragonien'' entstandenen ''Leyes del Toro'' (1505) und das von ''Alfons XI.'' erlassene ''Ordenamiento de Alcalá ''(1348), welches wiederum in erheblichem Umfang auf einer Übersetzung des westgotischen ''Liber Iudiciorum'' (654) und den ''Siete Partidas ''von ''Alfons dem Weisen'' (1252-1284) beruhte, zu deren Hauptquellen das ''[[Corpus Juris Civilis]] ''zählte. Noch die ''Novísima Recopilación'' (1805) war eine überarbeitete Fassung dieser Quellen. Trotz unterschiedlichen politischen Schicksals hatten viele Foralrechte im Königreich Spanien Bestand, mangels fortdauernder Rechtsetzungskompetenz der Territorien allerdings z.T. in versteinerter Form.


== 2. Deutsches Recht ==
Der Wille zur Rechtsvereinheitlichung durch [[Kodifikation]]en fasste in Spanien etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts Fuß. Infolge der Verfassung von Cádiz (1812) wurde eine Kommission u.a. mit der Ausarbeitung eines Zivilgesetzbuchs betraut. Während bereits 1829 ein ''Código de comercio'' erging, gelang ein vollständiger Entwurf für das Zivilrecht erst 1851. Das unter dem Namen seines Redaktors bekannte, auf rechtsvergleichenden Vorarbeiten beruhende ''Proyecto de García Goyena'' verfolgte einen liberalistischen Ansatz und strebte die Einheit auf Grundlage des historischen kastilischen Rechts unter Abschaffung der (anderen) traditionellen Foralrechte an. Es scheiterte am Widerstand der Foralisten und dem Vorwurf, der Text sei zu sehr am französischen ''[[Code civil]]'' orientiert. Im Folgenden kam es nur zu Teilkodifikationen auf für Wirtschaft und Gesellschaft vordringlichen Gebieten.'' ''Nach den übergeordneten Verfahrensgesetzen (1855) wurden insbesondere die ''Ley Hipotecaria ''(1861), die ''Ley del Notariado ''(1862), die ''Ley del Matrimonio Civil ''und die ''Ley del Registro Civil ''(1870) erlassen.  
=== a) Historische Entwicklung ===
Die von ''Rudolf von Jhering''<nowiki> (JhJb.&nbsp;4 [1861] 1&nbsp;ff.) für eng begrenzte Fallgestaltungen, insbesondere die Haftung für den Vertrauensschaden des anderen Teils infolge der Anfechtung einer Willenserklärung, entwickelte c.i.c. wurde von der Rechtsprechung schon bald zu einem probaten Instrument ausgebaut, um Schwächen des deutschen Deliktsrechts zu kompensieren. So nahm das RG Anstoß daran, dass eine Kundin, die in einem Ladengeschäft von einer umfallenden Linoleumrolle schwer verletzt wird, gegen den Ladeninhaber wegen dessen Exkulpationsmöglichkeit für den Verrichtungssgehilfen nach §&nbsp;831 BGB keinen Schadensersatzanspruch haben sollte (RG 7.12.1911, RGZ&nbsp;78, 239), ein nicht nur unbilliges, sondern auch ökonomisch unsinniges Ergebnis, weil der Firmeninhaber etwaige Schäden am kostengünstigsten versichern kann. Das RG half der Klägerin, indem es die nach §&nbsp;278 BGB strikte Vertragshaftung für Erfüllungsgehilfen auf einen solchen Fall erstreckte, obwohl noch bei der Schaffung des BGB die Frage nach einer deliktischen oder vertraglichen Qualifikation der c.i.c. ausdrücklich offen gelassen worden war. Erst im Zuge der Schuldrechtsreform 2001 hat der deutsche Gesetzgeber den Versuch unternommen, durch eine Kodifikation der c.i.c. im Vertragsrecht (§&nbsp;311 Abs.&nbsp;2, 3 BGB) die europäische Rezeption deutscher Rechtsvorstellungen zu fördern. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, der Umstand, „dass das Bürgerliche Gesetzbuch keine Regelung zur c.i.c. enthält, diese aber dennoch als Rechtsinstitut durch die Rechtsprechung entwickelt worden ist … [,] macht es … nicht leicht, zukunftsweisende Entwicklungen des deutschen Rechts ausländischen Staaten zur Nachahmung zu empfehlen oder in die Europäische Rechtsentwicklung einzuführen“ (BT-Drucks. 14/6040 v.&nbsp;14.5.2001, 162).</nowiki>


=== b) Heutiges Recht ===
Die Arbeit an der Gesamtkodifikation wurde offiziell 1880 wieder aufgenommen. Debatten zwischen den Foralisten (die sich u.a. Argumente der deutschen [[Historische Rechtsschule|Historischen Schule]] zu Eigen machten) und der Zentralregierung führten zur in der ''Ley del Base'' vom 11.5.1888 niedergelegten Kompromisslösung: Eine staatliche Kommission erarbeitete anhand des ''Proyecto de García Goyena ''ein allgemeines Zivilgesetzbuch mit Geltung'' ''für alle Landesteile als ''Derecho común'','' ''allerdings unter Aufrechterhaltung und Vorrang der überkommenen foralrechtlichen Institute, die nachträglich in ''Apéndices ''zum ''Código'' zusammengefasst werden sollten. Damit wurde der ursprünglich als Übergang gedachte, tatsächlich aber bis heute dauernde Rechtszustand festgeschrieben, wonach Spanien auf dem Gebiet des Zivilrechts eine Mehrrechtsordnung darstellt. Die Schlussbestimmung (Art.&nbsp;1976) des durch königliches Dekret vom 24.7.1889 in Kraft gesetzten ''Código civil'' derogierte alle zuvor als ''Derecho civil común'' geltenden Gesetze und Sitten. Abgesehen von den Foralrechten galten nur die im ''Código'' ausdrücklich erwähnten Zivilgesetze weiter. Gewohnheitsrecht hatte Bestand, soweit es im Gesetzbuch ungeregelt war, und die Bezugnahme auf ''principios generales del derecho'' als Rechtsquelle eröffnete Spielräume für die Anknüpfung an Rechtstraditionen. Einige Übergangsbestimmungen und eine (nie befolgte) Zusatzbestimmung, wonach der ''Código'' alle zehn Jahre einer Revision unterzogen werden sollte, schlossen das Werk ab. Durch königliches Dekret vom 31.7.1889 wurde der ''Código civil ''auch für die dem Königreich verbliebenen Kolonien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen in Kraft gesetzt, wo er lange über deren Unabhängigkeit im Jahr 1898 hinaus in Kraft blieb.
Im deutschen Recht hat die c.i.c. heute einen sehr breitgefächerten Anwendungsbereich und kommt in einer Vielzahl von Fallgruppen in Betracht. Zum einen wird auf die Haftung nach §§&nbsp;280 Abs.&nbsp;1, 311 Abs.&nbsp;2, 241 Abs.&nbsp;2 BGB zurückgegriffen, um strukturelle Defizite des deutschen materiellen Deliktsrechts auszugleichen. Anders als die romanischen Rechtsordnungen beschränkt es sich weitgehend auf die Verletzung absoluter Rechte und sieht keine generelle Haftung für primäre Vermögensschäden vor. Diese rechtspolitische Grundsatzentscheidung beruht zwar auf dem anerkennenswerten Motiv, eine übermäßige Beschränkung der Handlungsfreiheit zu verhindern, führt jedoch immer wieder zu als unbillig empfundenen Schutzdefiziten. Diese werden zum Teil im Rahmen des Deliktsrechts bewältigt, z.B. durch eine Lockerung des Vorsatzerfordernisses im Rahmen des §&nbsp;826 BGB oder durch die Erweiterung des Kreises der absoluten Rechte, z.B. in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, in zahlreichen Fällen aber auch durch eine Ausdehnung des Vertragsrechts, insbesondere in den Fällen einer beruflichen Haftung für Auskünfte. Darüber hinaus ist die Haftung für Verrichtungsgehilfen aufgrund der bereits unter 2. a) erwähnten Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsherrn stark eingeschränkt. Schließlich trägt grundsätzlich der Geschädigte die volle Beweislast, wenngleich insoweit das Prozessrecht (Schadensschätzung, §&nbsp;287 ZPO) und das Richterrecht manche Milderung bereithalten (sekundäre Darlegungslast, z.B. bei der [[Produkthaftung|Produkt-]] und Arzthaftung). Vorteilhafter für das Opfer ist aber die Beweislastverteilung nach §&nbsp;280 Abs.&nbsp;1 S.&nbsp;2 BGB.


In der deutschen rechtsvergleichenden Literatur ist man sich heute darin einig, dass jedenfalls die Haftung für Integritätsverletzungen (Linoleumrollen- und Salatblattfälle, vgl. BGH 28.1.1976, BGHZ&nbsp;66,&nbsp;51) bei einer funktionalen Betrachtung eigentlich dem Deliktsrecht zuzuordnen ist. Versuche, eine solche Einordnung vor der Schuldrechtsreform de lege lata zu erreichen, insbesondere durch eine Ausdehnung der Verkehrssicherungspflichten, scheiterten jedoch. Mit der Einordnung der Anbahnung eines Vertrages unter §&nbsp;311 Abs.&nbsp;2 Nr.&nbsp;2 BGB ist derartigen Ansätzen im deutschen Recht gegenwärtig der Boden entzogen.
== 2. Räumlicher, sachlicher und persönlicher Geltungsbereich ==
Im Großteil des Landes kommt der ''Código civil ''unmittelbar zur Anwendung, heute im Rahmen der föderalen Staatsorganisation gemäß der spanischen Verfassung von 1978. In der Mehrzahl der sogenannten ''Comunidades Autónomas'' existiert kein vorrangiges Foralrecht. Lediglich in Aragonien, auf den Balearen, in Galizien, Katalonien, Navarra und Teilen des Baskenlandes und Extremaduras gilt der ''Código'' nach wie vor als gegenüber den tradierten Foralrechten subsidiäres Recht. Der Einleitungstitel und der Titel über die Ehe (Ausnahme: eheliches Güterrecht) haben aber in allen Landesteilen Vorrang. Die Geltung der Foralrechte ist neben Art.&nbsp;149.1.8 der spanischen Verfassung in den ''Estatutos de Autonomía'' der betreffenden autonomen Gemeinschaften verbrieft. Foralrechtliche Besonderheiten bestehen v.a. im Familien-, Erb- und Sachenrecht, in einigen Gemeinschaften wie Katalonien und Navarra auch im Schuldrecht und sogar im [[Allgemeiner Teil|Allgemeinen Teil]]. Die Foralrechte wurden mit Ausnahme Aragoniens (1925) nicht wie vom historischen Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen in Anhängen'' ''zum ''Código'' niedergelegt, sondern in Rechtssammlungen (''compilaciónes''), die in den Jahren 1959-1973 entstanden.


Während in den Linoleumrollen- und Gemüseblatt-Fällen der in der Sache deliktische Charakter der Haftung aus c.i.c. offenkundig ist, existieren weitere Fallgruppen, in denen dies weniger eindeutig bejaht werden kann. Hier sind insbesondere die Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen und die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten zu nennen. Diese sind eher „vertragsnah“, wenngleich ihre genaue dogmatische Einordnung und ihre Reichweite im Einzelfall vielfach immer noch umstritten sind.
Welches Teilrecht anzuwenden ist, regelt der Einführungstitel in den Bestimmungen über das interlokale Privatrecht, und zwar in Anlehnung an das internationale Privatrecht. Für die Anknüpfung des [[Personalstatut]]s tritt an die Stelle der Staatsangehörigkeit insofern die zivile Gebietszugehörigkeit (''vecindad civil''). Diese wird durch Abstammung von Gebietszugehörigen oder Mindestaufenthalt im betreffenden Gebiet erlangt. Wer als Ausländer die spanische Staatsangehörigkeit erwirbt, muss gegebenenfalls auch für eine zivile Gebietszugehörigkeit optieren.


== 3. Andere europäische Rechtsordnungen ==
Im Handelsrecht galt der ''Código civil ''von Anfang an nur subsidiär gegenüber dem ''Código de comercio ''von 1829/1885 und den darin in Bezug genommenen Handelsbräuchen. Der ''Código de comercio'' kommt unabhängig von einer Kaufmannseigenschaft bei allen als Handelsgeschäft anzusehenden Tätigkeiten zur Anwendung. Zu bestimmten Handelsgeschäften und zum Gesellschaftsrecht existieren neuere Spezialgesetze.  
Nur wenige Rechtsordnungen, wie z.B. Österreich, folgen dem deutschen Vorbild. Andere, wie z.B. Italien, kennen zwar das Institut der c.i.c.; die genaue dogmatische Einordnung als vertragliche oder deliktische Haftung ist aber vielfach umstritten. Zahlreiche Rechtsordnungen, insbesondere Frankreich, lösen die in Deutschland der c.i.c. zugewiesenen Fälle mit Hilfe des Deliktsrechts.


Eine eigenständige Lösung findet sich in den ''[[common law]]'' Rechtsordnungen, z.B. im englischen Recht. Das englische Vertragsrecht kennt kein allgemeines Prinzip von Treu und Glauben, sondern nur eine Vielzahl zum Teil funktional äquivalenter Einzelinstitute (z.B. ''estoppel'', ''duress'', ''misrepresentation'', ''mistake''). Insbesondere eine Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen wird wegen der damit verbundenen Einschränkung der Vertragsfreiheit sehr skeptisch betrachtet. Ferner werden die Möglichkeiten der Parteien zur Selbstvorsorge (Vorvertrag, ''letter of intent'') deutlich stärker akzentuiert als im deutschen Recht. Auch im angloamerikanischen Recht wird aber aufgrund der ökonomischen Analyse des Rechts zunehmend erkannt, dass der Schutz von Investitionen, die eine Partei bereits im Verhandlungsstadium erbracht hat, insbesondere bei komplexen Projekten durchaus effizienzsteigernd sein kann. In der englischen Literatur wird zum Teil befürwortet, Fälle, in denen eine Partei im Vertrauen auf das Zustandekommen eines Vertrags Aufwendungen erbracht hat, bereicherungsrechtlich zu lösen (''unjust enrichment''). Dem wird jedoch entgegengehalten, dass es der Sache nach eher um den Ausgleich eines Vertrauensschadens auf Seiten der abschlusswilligen Partei gehe als um die Rückabwicklung einer Bereicherung der abbruchswilligen Partei. Vereinzelt wird auch nach französischem Vorbild für eine deliktsrechtliche Bewältigung des Abbruchs von Vertragsverhandlungen plädiert; doch lässt sich dieser Ansatz nur schwer in das englische Deliktsrecht einfügen, das im Gegensatz zur Generalklausel des französischen ''[[Code civil]]'' durch eine Vielzahl nur historisch verständlicher Einzeltatbestände geprägt ist.
== 3. Prinzipien und Entwicklungslinien ==
Der historische Gesetzgeber wollte das Zivilrecht nicht reformieren, sondern existierende Rechtsinstitute in einem einheitlichen Gesetzbuch niederlegen und dadurch die Rechtsanwendung vereinfachen. Inwieweit dieses Ziel erreicht wurde, wird bis heute diskutiert. Außer Frage steht, dass der ''Código'' als Schöpfung der hochbürgerlichen Epoche auf den Prinzipien der Vertrags- und Testierfreiheit, des Eigentumsrechts und des Schutzes von Ehe und Familie gründet. Seine sprachliche Anschaulichkeit, der eine geringe begriffliche Trennschärfe und eine niedrige Regelungsdichte gegenüberstehen, wird eher mit dem ''[[Code civil]]'' als mit dem deutschen [[Bürgerliches Gesetzbuch|BGB]] in Verbindung gebracht. Auch der Aufbau des ''Código civil'' und umfangreiche Text- passagen folgen dem französischen Vorbild, so dass das spanische Zivilrecht traditionell dem romanischen Rechtskreis zugeordnet wird.


== 4. ''Acquis communautaire'' ==
Die ersten Jahre des ''Código ''sind als exegetische Phase zu verstehen, die von einem gewissen Formalismus bei der Auslegung und Anwendung durch die Gerichte gekennzeichnet war und v.a. seitens des französischen Schrifttums beeinflusst wurde. Die mit dem 20.&nbsp;Jahrhundert einsetzende Orientierung an der deutschen und der italienischen Rechtswissenschaft ist im Zusammenhang zu sehen mit dem Bestreben, den Buchstaben des Gesetzes mit der immer rascheren gesellschaftlichen und technischen Entwicklung in Einklang zu bringen. Somit gewannen Rechtsfiguren wie das Verbot des Rechtsmissbrauchs und Treu und Glauben als allgemeine Rechtsgrundsätze an Bedeutung und wurden auch in Spanien zum festen Bestandteil zunächst der Rechtsliteratur, dann der Rechtsprechung und schließlich durch Reformen (hierzu unten 5.) auch des Zivilgesetzbuchs selbst. Die Jahre unter dem totalitären Regime des Generals ''Franco'' (1939-1975) bezeugen zwar staatsideologische Einflüsse auf dem Gebiet des Privatrechts, in den Text des ''Código civil ''haben sie aber keinen Eingang gefunden.
Die Haftung für die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten kann im ''acquis communautaire'' nicht eindeutig dem Vertragsrecht zugeordnet werden, da z.B. auch in Richtlinien auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts, wie in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL&nbsp;2005/29), [[Informationspflichten (Verbrauchervertrag)|Informationspflichten zugunsten der Verbraucher]] festgelegt werden. Die Informationspflichten im ''acquis'' dienen nicht nur einem Individualinteresse der aufzuklärenden Partei, sondern auch dem Allgemeininteresse an einer Herstellung von Markttransparenz. Auch die Rechtsfolgen einer Verletzung von Informationspflichten in den Fällen, in denen es nicht zu einem späteren Vertragsschluss kommt, sind auf der Gemeinschaftsebene nicht eindeutig dem vertraglichen oder deliktischen Bereich zugewiesen.


Eine für die deutsche Rechtspraxis zentrale Rolle spielt die c.i.c. im [[Vergaberecht]]. Art.&nbsp;2(7) der Sektorenrechtsmittel-RL (RL&nbsp;92/13) sieht eine Beweiserleichterung zugunsten desjenigen Bieters vor, der durch Verstöße gegen das Vergaberecht einer „echten Chance“ beraubt worden ist, den Zuschlag in einem Vergabeverfahren zu erhalten. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Vorgabe in §&nbsp;126 S.&nbsp;1 GWB als eigenständige Anspruchsgrundlage umgesetzt. Hierbei handelt es sich aber rechtstechnisch nicht um eine Verschuldens-, sondern gerade um eine verschuldensunabhängige Haftung. Die Vorschrift setzt ferner ein Überschreiten der Schwellenwerte nach §§&nbsp;102&nbsp;ff. GWB voraus und begrenzt den möglichen Schadensersatz auf die Kosten der Vorbereitung des Angebots oder der Teilnahme an einem Vergabeverfahren. Da weitergehende Ansprüche auf Schadensersatz ausdrücklich unberührt bleiben (§&nbsp;126 S.&nbsp;2 GWB), hat sich in der deutschen Rechtsprechung im Ergebnis nicht geändert, dass Kläger ihren Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften ganz überwiegend nicht auf das harmonisierte Vergaberecht, sondern auf §&nbsp;311 Abs.&nbsp;2 BGB stützen. Auch das Vergaberecht bietet folglich keinen Anhaltspunkt für eine Europäisierung der c.i.c.
Erhebliche Auswirkungen hatte demgegenüber die neue Verfassung von 1978. Sie bildet die ranghöchste Rechtsquelle. Damit kommt für das Zivilrecht nicht mehr nur der Rechtsprechung v.a. der letztinstanzlichen ordentlichen Gerichte ''de facto ''maßgebliche Bedeutung zu (auf der Ebene des Gesamtstaats der seit dem 19. Jahrhundert als Kassationsgerichtshof agierende spanische ''Tribunal Supremo). ''Zunehmenden Einfluss haben auch die Entscheidungen des ''Tribunal Constitucional'' über die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung, insbesondere mit dem darin nach deutschem Vorbild enthaltenen und durch Verfassungsbeschwerde einklagbaren Grundrechtskatalog.


== 5. Prinzipien des Vertragsrechts und Gemeinsamer Referenzrahmen ==
== 4. Gliederung und Grundzüge ==
Eine größere Übereinstimmung mit deutschen Rechtsvorstellungen findet sich hingegen im Bereich des europäischen „soft law“, d.h. in den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts ([[Principles of European Contract Law|PECL]]). Art.&nbsp;2:301 PECL sieht eine Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen vor, wenn eine Partei entgegen den Geboten von Treu und Glauben handelt, d.h. insbesondere in Verhandlungen eintritt oder diese fortsetzt, ohne tatsächlich mit der anderen Partei eine Vereinbarung erzielen zu wollen (Art.&nbsp;2:301(2),(3) PECL). Eine inhaltlich weitgehend deckungsgleiche Regelung enthalten die [[UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts|UNIDROIT ''Principles of International Commercial Contracts'']] (Art.&nbsp;2.1.15). Ferner sollen nach beiden Regelwerken die Parteien zur vertraulichen Behandlung von Informationen verpflichtet sein, zu denen sie im Verlauf der Vertragsverhandlungen Zugang erlangt haben (Art.&nbsp;2:302 PECL; Art.&nbsp;2.1.16 UNIDROIT PICC). Trotz der Kongruenz mit zwei wichtigen Fallgruppen der c.i.c. im deutschen Recht bleibt indessen festzuhalten, dass nicht nur die Regelung der von den Prinzipien erfassten Fallgestaltungen im Vergleich zum Grad der Ausdifferenzierung des deutschen Rechts rudimentären Charakter hat. Hinzu kommt, dass praktisch wichtige Fallgruppen wie die vorvertragliche Haftung für Integritätsverletzungen überhaupt nicht erfasst werden. Insgesamt hat die c.i.c. in den PECL und den UNIDROIT PICC folglich einen deutlich schmaleren Anwendungsbereich als im deutschen Recht. Dem Vorbild der PECL und UNIDROIT PICC folgt die 2009 vorgelegte Outline Edition eines Gemeinsamen Referenzrahmens (DCFR), der in Buch&nbsp;II, Kap.&nbsp;3 Regeln über vorvertragliche Verhaltenspflichten enthält (Art.&nbsp;II.-3:301(3) DCFR, Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen; Art.&nbsp;II.-3:302 DCFR, vertrauliche Behandlung von Informationen). Ferner regeln Art.&nbsp;II.-3:101-107 DCFR Informationspflichten, die im Wesentlichen auf dem verbraucherschutzrechtlichen Acquis basieren; Art.&nbsp;II.-3:201 DCFR soll die Korrektur von Eingabefehlern im Fernabsatz ermöglichen. All diese Pflichten werden in Buch&nbsp;II über das Vertragsrecht, nicht in Buch&nbsp;VI, d.h. bei den außervertraglichen Schuldverhältnissen, geregelt.
Im Anschluss an den ''Título Preliminar ''(Art.&nbsp;1-16), der sich mit Anwendung und Wirksamkeit von Rechtsnormen im Allgemeinen (einschließlich [[Internationales Privatrecht|internationalem]] und interlokalem Privatrecht) befasst und dem bereits vor dem Inkrafttreten der Verfassung von 1978 quasikonstitutioneller Rang zukam, widmet der ''Código civil'' den Themen Personen, Sachen und Arten des Erwerbs von Sachen jeweils ein eigenes Buch. Abweichend vom ''Code civil'' und vom ''Proyecto ''existiert zusätzlich ein Buch zum Schuld- und Vertragsrecht. Damit besteht der ''Código'' bis heute aus vier Büchern, die in Titel, Kapitel und Abschnitte unterteilt sind und insgesamt 1976 Artikel umfassen.


== 6. Internationales Privat- und Verfahrensrecht ==
Das erste Buch ''De las personas ''(Art.&nbsp;17-332) enthält das Personenrecht unter Einschluss des Staatsangehörigkeitsrechts. Nach Bestimmungen über Rechtspersönlichkeit und Wohnsitz wird ein Großteil des Familienrechts geregelt, v.a. das – bis auf das im vierten Buch behandelte Güterrecht – landesweit einheitliche Eherecht. Spanien kennt neben der fakultativen Zivilehe noch die religiöse Eheschließung, lässt die Scheidung aber nun unter leichten Voraussetzungen zu. Im Kindschaftsrecht gilt jetzt Gleichberechtigung ohne Rücksicht auf eheliche oder nichteheliche Abstammung. Zum gegenseitigen Unterhalt sind Ehegatten und Verwandte in gerader Linie verpflichtet, mit Einschränkungen auch Geschwister. Minderjährige nicht emanzipierte Kinder stehen unter der gemeinsamen Personen- und Vermögenssorge der Eltern als ihren gesetzlichen Vertretern. Zulässig ist grundsätzlich nur die gerichtliche unwiderrufliche Volladoption zum Wohl des Minderjährigen. Volljährigkeit beginnt mit vollendetem 18.&nbsp;Lebensjahr, soweit nicht schon elterliche oder gerichtliche Emanzipation oder Eheschließung die Geschäftsfähigkeit bewirken.
Für die Behandlung der c.i.c. im europäischen IPR und IZVR ist das Urteil des [[Europäischer Gerichtshof|EuGH]] in der Rechtssache ''Tacconi'' aus dem Jahre 2002 grundlegend (EuGH Rs.&nbsp;C-334/00, Slg.&nbsp;2002, I-7357). In diesem Fall ging es vereinfacht darum, dass eine italienische Klägerin (Tacconi) eine deutsche Beklagte (HWS) in Anspruch nahm, weil die Beklagte angeblich entgegen Treu und Glauben Vertragsverhandlungen mit der Gegenseite abgebrochen hatte. Es stellte sich folglich die Frage, ob Tacconi die HWS am Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach Art.&nbsp;5 Nr.&nbsp;1 EuGVO (VO&nbsp;44/ 2001), am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art.&nbsp;5 Nr.&nbsp;3 EuGVO oder gar nur an ihrem allgemeinen Gerichtsstand nach Art.&nbsp;2 EuGVO verklagen konnte. Der EuGH bekräftigte zunächst seine ständige Rechtsprechung, der zufolge die Begriffe „Vertrag“ und „unerlaubte Handlung“ i.S.d. Art.&nbsp;5 Nr.&nbsp;1,&nbsp;3 EuGVO autonom auszulegen seien, d.h. es kam nicht auf die dogmatische Einordnung der c.i.c. im deutschen oder italienischen Recht an. Ferner hob er hervor, dass der Begriff des Vertrages i.S.d. Art.&nbsp;5 Nr.&nbsp;1 EuGVO allein eine Situation erfasse, in der eine „von einer Partei gegenüber einer anderen freiwillig eingegangene Verpflichtung“ vorliege. Diese Voraussetzung verneinte der EuGH in Bezug auf eine gesetzliche Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen. Damit war der Anwendungsbereich des Art.&nbsp;5 Nr.&nbsp;1 EuGVO verschlossen. Darüber hinaus ließ sich der EuGH nicht darauf ein, die Haftung aus c.i.c. als sui generis zu qualifizieren und einer irgendwie gearteten „dritten Spur“ zuzuordnen, was allein den Wohnsitzgerichtsstand (Art.&nbsp;2 EuGVO) übrig gelassen hätte. Vielmehr zog er nach der Ablehnung einer vertraglichen Qualifikation den Deliktsgerichtsstand als Auffangtatbestand heran, so dass die Klage wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen im ''forum delicti commissi'' erhoben werden konnte. Die Entscheidung in der Sache Tacconi reflektiert eine schon früher erkennbare geringe Toleranz des EuGH gegenüber einer allzu großzügigen Ausdehnung des Vertragsrechts durch die Mitgliedstaaten. Dahinter steht das Bestreben, den Beklagten davor zu schützen, sich unfreiwillig dem Gerichtsstand am Erfüllungsort zu unterwerfen, obwohl er diese Rechtsfolge seines Handelns nicht vorhersehen konnte. Auf der Linie der Tacconi-Entscheidung liegt auch die Rom&nbsp;II-VO (VO&nbsp;864/ 2007), die Ansprüche aus c.i.c. als außervertraglich qualifiziert ([[Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]).


== 7. Ausblick  ==
Das zweite&nbsp;Buch ''De los bienes'','' de la propiedad y de sus modificaciones'' (Art.&nbsp;333-608) enthält im Wesentlichen Sachenrecht. Das Eigentumsrecht wird mit der ''rei vindicatio ''durchgesetzt und gewährt umfassende Nutzung und Verfügung. Gesetzlicher Regelfall für gemeinsames Innehaben von Rechten und Sachen ist die Gütergemeinschaft, wonach das betreffende Eigentum mehreren Personen ungeteilt zusteht. Zum Sondereigentum gehört v.a. das geistige Eigentum, das aber spezialgesetzlich geregelt wird. Besitz ist tatsächliches Innehaben einer Sache oder Genuss eines Rechts, geschützt werden sowohl der Eigen- als auch der Fremdbesitz. Der gutgläubig erlangte Besitz von beweglichen Sachen kommt einem Titel gleich, wodurch im Ergebnis der Eigentumserwerb ''a non domino ''ermöglicht wird, jedoch nicht an verlorenen oder unrechtmäßig entzogenen Sachen. Nach der Regelung von Nießbrauch, dinglichen Nutzungsrechten und Dienstbarkeiten an Grundstücken schließt das zweite Buch mit wenigen Bestimmungen zum Grundbuch; wesentliche Bereiche des Immobilienrechts wie z.B. der gutgläubige Eigentumserwerb aufgrund Registereintragung sind in der ''Ley Hipotecaria ''geregelt.
Die außervertragliche Qualifikation der c.i.c. im europäischen Kollisionsrecht hat nicht zur Ausklammerung vorvertraglicher Pflichten aus dem DCFR geführt. Ein solcher Schluss wäre wegen der engen funktionalen Beziehung vieler Fallkonstellationen der c.i.c. (Aufklärungspflichten, Abbruch von Vertragsverhandlungen) zum Vertragsrecht auch nicht sachgerecht gewesen. Überdies erkennt die Rom&nbsp;II-VO die sachlichen Verbindungen zumindest auf der Ebene der Anknüpfung an, indem sie letztere akzessorisch vornimmt ([[Außervertragliche Schuldverhältnisse (IPR)]]). Diesem Wertungsmodell entspräche es, wenn der endgültige DCFR auch Fragen z.B. der vorvertraglichen Aufklärung oder des Verhandelns nach Treu und Glauben in Bezug auf die die Parteien treffenden Verhaltenspflichten inhaltlich erfassen würde, den Mitgliedstaaten aber keine genaue dogmatische Einordnung der Haftungsfolgen bei Pflichtverstößen als deliktisch oder vertraglich vorgäbe. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung muss unter einer solchen Offenheit des endgültigen DCFR nicht leiden, weil die in Art.&nbsp;12(1) Rom&nbsp;II-VO verankerte akzessorische Anknüpfung in der Regel zu einem kollisionsrechtlichen Gleichlauf vertraglicher und außervertraglicher Rechtsbehelfe führen wird. Die eindeutig „vertragsfernen“ Fallgruppen der deutschen c.i.c. (Integritätsverletzungen, „Gemüseblattfälle“) zählen hingegen bei funktional-rechtsvergleichender Betrachtung nicht zum europäischen Vertragsrecht.
 
Mit dem Vermögenserwerb befasst sich v.a. das dritte&nbsp;Buch ''De los diferentes modos de adquirir la propiedad ''(Art.&nbsp;609-1087). Eigentum und andere Rechte an Vermögen werden entweder kraft Gesetzes (insbesondere durch Aneignung oder Ersitzung), durch Schenkung, im Wege der Erbfolge oder infolge bestimmter Verträge durch Übergabe übertragen. Im ausführlich geregelten Erbrecht bestehen foralrechtliche Besonderheiten. Nach dem ''Código'' gilt Gesamtrechtsnachfolge, die der Annahme bedarf; Vermächtnisnehmer erhalten das Vermögen als Einzelrechtsnachfolger; Noterbrechte beschränken die Testierfreiheit; Erbverträge sind ebenso unzulässig wie gemeinschaftliche Testamente. Die gesetzliche Erbfolge stellt auf die Verwandtschaft bis zum vierten Grad in der Seitenlinie ab, neben Abkömmlingen und Vorfahren hat der Ehegatte als gesetzlicher Erbe und Noterbe ein Nießbrauchsrecht, gegenüber Verwandten in der Seitenlinie hat er ein eigenes Erbrecht.
 
Das vierte Buch ''De las obligaciones y contratos ''(Art.&nbsp;1088-1975) enthält allgemeines Schuldrecht und Regelungen für einzelne Vertragstypen. Dass abweichend vom ''Code civil'' ein eigenes Buch existiert, wird v.a. auf die im spanischen Recht verwurzelte Doktrin des Eigentumserwerbs aufgrund von ''título y modo'' zurückgeführt: Beim Sachkauf führt nicht bereits der Kaufvertrag zum Eigentumsübergang, vielmehr wird zwischen schuldrechtlicher Grundlage (Titel) und selbständigem Übertragungsakt (Modus) unterschieden, wie ihn v.a. die Übergabe darstellt. Das vierte Buch enthält aber auch Sachen- und Familienrecht, wie z.B. das Ehegüterrecht. Der 1.&nbsp;Titel ''De las obligaciones ''(Art.&nbsp;1088-1253) beginnt mit den allgemeinen Grundsätzen: Jede Verpflichtung besteht in einem Geben, Handeln oder Unterlassen und folgt aus dem Gesetz, aus Verträgen oder Quasiverträgen und aus verbotenen Handlungen bzw. Unterlassungen oder solchen Handlungen, die auf Verschulden beruhen. Verträge haben zwischen den Parteien gesetzesgleiche Wirkung (''ley del contrato''). Im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Natur und die Wirkungen der Verpflichtungen regelt ein einheitlicher Nichterfüllungstatbestand die Schadensersatzpflicht als Folge von Nicht- oder Schlechtleistung. Die Haftung für Vorsatz kann nicht ausgeschlossen, diejenige für Fahrlässigkeit jedoch vom Richter herabgesetzt werden. Behandelt werden schließlich die verschiedenen Typen von Verpflichtungen und die Erlöschensgründe. Der 2.&nbsp;Titel ''De los contratos ''(Art.&nbsp;1254-1314) beginnt mit allgemeinen Bestimmungen zur Vertragsfreiheit, die in den Grenzen der Gesetze, der Moral und der öffentlichen Ordnung gewährleistet ist und unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben steht (''buena fe ''im objektiven Sinn). Wesentliche Gültigkeitsvoraussetzungen für Verträge sind Konsens, bestimmter Vertragsgegenstand und ''causa''. Formerfordernisse bilden nach dem im spanischen Vertragsrecht verwurzelten ''principio espiritualista'' die Ausnahme. Verträge sind gemäß dem gesetzlichen Kanon objektiv und subjektiv auszulegen und können nur unter engen Voraussetzungen angefochten werden, soweit sie nicht wegen Arglist, Drohung, Gewalt oder Irrtums nichtig oder vernichtbar sind. Der 3.&nbsp;Titel ''Del régimen económico matrimonial ''(Art.&nbsp;1315-1444) enthält das Ehegüterrecht, für das foralrechtliche Sonderbestimmungen bestehen. Nach dem ''Código'' haben Eheverträge Vorrang, so dass die Materie zwischen dem „allgemeinen“ Schuldrecht und den besonderen Vertragstypen angesiedelt ist, mit der Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichem Güterstand. Der 4.&nbsp;Titel ''Del contrato de compra y venta ''(Art.&nbsp;1445-1537) regelt den Kaufvertrag und die Gewährleistung recht ausführlich und gleichsam prototypisch für die in den anschließenden Titeln knapp gehaltenen weiteren Vertragsarten. Hierzu gehört insbesondere die Überlassung (''arrendamiento'') von Gegenständen, Werkleistungen oder Diensten, außerdem der Grundtypus der (rechtsfähigen) Personengesellschaft und der Auftrag, dessen einzige Bestimmung zum Recht der Stellvertretung in der Auslegung durch Rechtsprechung und Literatur auf jegliche Art von Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Im 16.&nbsp;Titel über Verpflichtungen, die aus anderen Gründen als durch Verträge entstehen (Art. 1887-1910), sind zum einen die ''cuasicontratos'', namentlich die Besorgung fremder Geschäfte und wenige Fälle bereicherungsrechtlicher Ansprüche (''cobro de lo indebido'') angesiedelt. Zum anderen findet sich hier, bei den aus Verschulden oder Nachlässigkeit entstehenden Verbindlichkeiten, die deliktische Generalklausel, wonach eine Person zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichtet ist, wenn sie einem anderen durch ein Handeln oder Unterlassen schuldhaft (''dolo) ''oder fahrlässig (''negligencia'') Schaden zufügt; die Rechtsprechung hat hieraus ein System strikter Haftung entwickelt. Der 18.&nbsp;Titel (Art.&nbsp;1930-1975) beschließt das Buch und behandelt zwei unterschiedliche Arten der Verjährung: die ''prescripción adquisitiva ''führt zum Erwerb dinglicher Rechten, wenn neben einem besonderen gesetzlichen Erwerbsgrund auch guter Glaube vorliegt (''buena fe ''im subjektiven Sinn); die ''prescripción extintiva ''bewirkt den Rechtsverlust nach Ablauf gesetzlicher Fristen. Rechte an beweglichen Sachen verjähren grundsätzlich sechs Jahre nach Besitzverlust, bei Immobilien beträgt die Frist 30&nbsp;Jahre. Vertragliche Ansprüche verjähren prinzipiell nach 15&nbsp;Jahren, Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach drei Jahren.
 
== 5. Reformen, Dekodifikation und europäisches Privatrecht ==
Durch rund 50&nbsp;Novellen seit Veröffentlichung des ''Código'' versuchte der spanische Gesetzgeber, mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten, ohne in die Systematik der Kodifikation einzugreifen. Eine Flexibilisierung nicht nur des ''Código'' sollte durch die Reform des Einführungstitels mit dem Rechtsquellenkanon und neue Bestimmungen wie der Generalklausel von [[Treu und Glauben]] erreicht werden (1974). Die Akzeptanz der Gleichheit der Geschlechter bewirkte Anpassungen im Familien- und Vermögensrecht (1975, 1981, 1990), zuletzt sogar die Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare (2005). Spätestens seit der neuen Zivilprozessordnung (2000) enthält der ''Código'' kaum noch Verfahrensrecht. Entgegen dem kodifikatorischen Leitbild von der Einheit kamen ihm mit der Verselbständigung des Rechts der Arbeitsverhältnisse (1938, 1980), der Wohnraummiete (1964, 1994) und des Verbraucherschutzes (1984) gemessen an der Zahl der Rechtsverhältnisse wichtige Regelungsbereiche abhanden. Bezeichnend für den heutigen Stellenwert des Zivilgesetzbuchs ist, dass die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes ([[Verbraucher und Verbraucherschutz]]) durch den Erlass von Sondergesetzen erfolgt und der ''Código ''grundsätzlich unberührt bleibt.
 
Zu beobachten ist neuerdings ein Erstarken der Foralrechte, indem die betreffenden ''Comunidades Autónomas ''zunehmend von ihrer verfassungsmäßigen, im Einzelnen aber stark auslegungsbedürftigen Kompetenz zur Bewahrung, Anpassung und Entwicklung des eigenen Rechts Gebrauch machen. Dem Zentralstaat vorbehalten ist jedenfalls die Gesetzgebungskompetenz für Regeln über die Anwendung und Wirksamkeit von Rechtsnormen, die Form der Eheschließung, die Organisation der öffentlichen Register, die Grundlagen des Vertragsrechts und das internationale Privatrecht. Nachdem gegen Ende des 20.&nbsp;Jahrhunderts die meisten ''compilaciones ''durch ''Leyes de Derecho civil foral ''ersetzt wurden, arbeitet der katalanische Gesetzgeber seit 2002 sogar an einem ''Código Civil de Cataluña'', durch den sich die eigene Rechtstradition gegenüber dem zentralspanischen Recht behaupten soll. Nicht selten sind es Vertreter der Foralrechtsordnungen, die sich an der europäischen Privatrechtswissenschaft beteiligen und diese vielfach als maßgebliche Erkenntnisquelle für zeitgemäße Rechtsfortbildung innerhalb eines größeren Rahmens ansehen.


==Literatur==
==Literatur==
''Hans Stoll'', Tatbestände und Funktionen der Haftung für Culpa in Contrahendo, in: Festschrift für Ernst von Caemmerer, 1978, 435&nbsp;ff.; ''Tomasz Giaro'', Culpa in contrahendo, in: Ulrich Falk, Heinz Mohnhaupt (Hg.), Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 113&nbsp;ff.; ''Johannes Hager'', Die culpa in contrahendo in den UNIDROIT-Prinzipien und den Prinzipien des Europäischen Vertragsrechts aus der Sicht des deutschen Bürgerlichen Rechts, in: Jürgen Basedow (Hg.), Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht, 2000, 67&nbsp;ff.; ''Joachim Dietrich'', Classifying precontractual liability, Legal Studies 21 (2001) 153&nbsp;ff.; ''Paula Giliker'', A role for tort in pre-contractual negotiations?, International and Commercial Law Quarterly 52 (2003) 969&nbsp;ff.; ''Jan Dirk Harke'', Irrtum und culpa in contrahendo in den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht 14 (2006) 326&nbsp;ff.; ''Thomas Wilhelmsson'', ''Christian Twigg-Flesner'', Pre-contractual information duties in the acquis communautaire, European Review of Contract Law 2006, 441&nbsp;ff.; ''Volker Emmerich'', §&nbsp;311, Rn.&nbsp;50&nbsp;ff., in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd.&nbsp;2, 5.&nbsp;Aufl. 2007; ''Rabih Monzer'', Les effets de la mondialisation sur la responsabilité précontractuelle, Revue internationale de droit comparé, 2007, 523&nbsp;ff.; ''Alan Schwartz'', ''Robert E. Scott'', Precontractual Liability and Preliminary Agreements, Harvard Law Review 120 (2007) 661&nbsp;ff.
''Florencio'' ''García Goyena y Orobia'', Concordancias, motivos y comentarios del código civil español, 1852 (Nachdruck 1974); ''Juan Francisco Lasso Gaite'', Crónica de la codificación española, Codificación civil: Génesis e historia del Código, Bd.&nbsp;4, Teilbde.&nbsp;1 und 2, 1979; ''Johannes-Michael Scholz'','' ''Spanische Privatrechtsgesetzgebung des 19.&nbsp;Jahrhunderts, in: Helmut Coing'' ''(Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren Europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd.&nbsp;3, Teilbd.&nbsp;1, 1982, 397&nbsp;ff.; ''Asociación de Profesores de Derecho Civil ''(Hg.), Centenario del Código Civil, 2&nbsp;Bde., 1990; ''Sjef van Erp'', ''Antoni Vaquer ''(Hg.), Introduction to Spanish Patrimonial Law, 2006; ''Klaus Adomeit'', ''Federico Frühbeck Olmedo u.a.'', Einführung in das spanische Recht, 3. Aufl. 2007; ''Christian Eckl'', Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, 2007; ''Federico de Castro y Bravo'', Derecho civil de España, 3&nbsp;Bde., 2008 (ND früherer Schriften des bedeutenden spanischen Zivilrechtswissenschaftlers aus den Jahren 1949-1971).
 
==Quellen==
Die endgültige Fassung des ''Código civil'' wurde aufgrund Königlichen Dekrets vom 24.7.1889 am darauffolgenden Tag in der Gaceta de Madrid verkündet. Änderungsgesetze werden stets mit einer einleitenden Gesetzesbegründung im Boletín Oficial del Estado veröffentlicht, das seit dem 1.1.2009 nur noch in elektronischer Form erscheint <nowiki>http://www.boe.es</nowiki>. Eine konsolidierte Fassung des ''Código civil'' ist etwa unter <nowiki>http://noticias.juridicas.com/base_datos/Privado/cc</nowiki> abrufbar. Deutsche Übersetzungen: ''Witold Peuster'', Código civil: Das Spanische Zivilgesetzbuch (Spanisch-Deutsche Textausgabe), 2002; ''Wolfgang Sohst'','' ''Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch: Código civil español und Spanisches Notargesetz (Text und Kommentar), 3.&nbsp;Aufl.&nbsp;2005. Englische Übersetzung: ''Julio Romañach'', Civil code of Spain, 1994.


[[Kategorie:A–Z]]
[[Kategorie:A–Z]]
[[en:Culpa_in_Contrahendo]]
[[en:Código_Civil]]

Version vom 23. November 2021, 18:02 Uhr

von Christian Eckl

1. Entstehungsgeschichte

Als Spanien gegen Ende des 15. Jahrhunderts politische Einheit erreichte, existierten vielfach örtlich geltende Zivilgesetze, die sogenannten Foralrechte (fueros), die sich in den verschiedenen Territorien des Landes relativ selbständig entwickelt hatten. Das königliche Recht, das weitgehend mit dem historischen Recht von Kastilien identisch war, kam dort als subsidiäres Recht (derecho común) zur Anwendung. Es wurde in wenig systematischen Sammelwerken mit Gesetzgebung unterschiedlicher Herkunft veröffentlicht (recopilaciones). Die 1567 von Phillip II. verabschiedete Nueva Recopilación etwa stützte sich auf die unter Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien entstandenen Leyes del Toro (1505) und das von Alfons XI. erlassene Ordenamiento de Alcalá (1348), welches wiederum in erheblichem Umfang auf einer Übersetzung des westgotischen Liber Iudiciorum (654) und den Siete Partidas von Alfons dem Weisen (1252-1284) beruhte, zu deren Hauptquellen das Corpus Juris Civilis zählte. Noch die Novísima Recopilación (1805) war eine überarbeitete Fassung dieser Quellen. Trotz unterschiedlichen politischen Schicksals hatten viele Foralrechte im Königreich Spanien Bestand, mangels fortdauernder Rechtsetzungskompetenz der Territorien allerdings z.T. in versteinerter Form.

Der Wille zur Rechtsvereinheitlichung durch Kodifikationen fasste in Spanien etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts Fuß. Infolge der Verfassung von Cádiz (1812) wurde eine Kommission u.a. mit der Ausarbeitung eines Zivilgesetzbuchs betraut. Während bereits 1829 ein Código de comercio erging, gelang ein vollständiger Entwurf für das Zivilrecht erst 1851. Das unter dem Namen seines Redaktors bekannte, auf rechtsvergleichenden Vorarbeiten beruhende Proyecto de García Goyena verfolgte einen liberalistischen Ansatz und strebte die Einheit auf Grundlage des historischen kastilischen Rechts unter Abschaffung der (anderen) traditionellen Foralrechte an. Es scheiterte am Widerstand der Foralisten und dem Vorwurf, der Text sei zu sehr am französischen Code civil orientiert. Im Folgenden kam es nur zu Teilkodifikationen auf für Wirtschaft und Gesellschaft vordringlichen Gebieten. Nach den übergeordneten Verfahrensgesetzen (1855) wurden insbesondere die Ley Hipotecaria (1861), die Ley del Notariado (1862), die Ley del Matrimonio Civil und die Ley del Registro Civil (1870) erlassen.

Die Arbeit an der Gesamtkodifikation wurde offiziell 1880 wieder aufgenommen. Debatten zwischen den Foralisten (die sich u.a. Argumente der deutschen Historischen Schule zu Eigen machten) und der Zentralregierung führten zur in der Ley del Base vom 11.5.1888 niedergelegten Kompromisslösung: Eine staatliche Kommission erarbeitete anhand des Proyecto de García Goyena ein allgemeines Zivilgesetzbuch mit Geltung für alle Landesteile als Derecho común, allerdings unter Aufrechterhaltung und Vorrang der überkommenen foralrechtlichen Institute, die nachträglich in Apéndices zum Código zusammengefasst werden sollten. Damit wurde der ursprünglich als Übergang gedachte, tatsächlich aber bis heute dauernde Rechtszustand festgeschrieben, wonach Spanien auf dem Gebiet des Zivilrechts eine Mehrrechtsordnung darstellt. Die Schlussbestimmung (Art. 1976) des durch königliches Dekret vom 24.7.1889 in Kraft gesetzten Código civil derogierte alle zuvor als Derecho civil común geltenden Gesetze und Sitten. Abgesehen von den Foralrechten galten nur die im Código ausdrücklich erwähnten Zivilgesetze weiter. Gewohnheitsrecht hatte Bestand, soweit es im Gesetzbuch ungeregelt war, und die Bezugnahme auf principios generales del derecho als Rechtsquelle eröffnete Spielräume für die Anknüpfung an Rechtstraditionen. Einige Übergangsbestimmungen und eine (nie befolgte) Zusatzbestimmung, wonach der Código alle zehn Jahre einer Revision unterzogen werden sollte, schlossen das Werk ab. Durch königliches Dekret vom 31.7.1889 wurde der Código civil auch für die dem Königreich verbliebenen Kolonien Kuba, Puerto Rico und die Philippinen in Kraft gesetzt, wo er lange über deren Unabhängigkeit im Jahr 1898 hinaus in Kraft blieb.

2. Räumlicher, sachlicher und persönlicher Geltungsbereich

Im Großteil des Landes kommt der Código civil unmittelbar zur Anwendung, heute im Rahmen der föderalen Staatsorganisation gemäß der spanischen Verfassung von 1978. In der Mehrzahl der sogenannten Comunidades Autónomas existiert kein vorrangiges Foralrecht. Lediglich in Aragonien, auf den Balearen, in Galizien, Katalonien, Navarra und Teilen des Baskenlandes und Extremaduras gilt der Código nach wie vor als gegenüber den tradierten Foralrechten subsidiäres Recht. Der Einleitungstitel und der Titel über die Ehe (Ausnahme: eheliches Güterrecht) haben aber in allen Landesteilen Vorrang. Die Geltung der Foralrechte ist neben Art. 149.1.8 der spanischen Verfassung in den Estatutos de Autonomía der betreffenden autonomen Gemeinschaften verbrieft. Foralrechtliche Besonderheiten bestehen v.a. im Familien-, Erb- und Sachenrecht, in einigen Gemeinschaften wie Katalonien und Navarra auch im Schuldrecht und sogar im Allgemeinen Teil. Die Foralrechte wurden mit Ausnahme Aragoniens (1925) nicht wie vom historischen Gesetzgeber ursprünglich vorgesehen in Anhängen zum Código niedergelegt, sondern in Rechtssammlungen (compilaciónes), die in den Jahren 1959-1973 entstanden.

Welches Teilrecht anzuwenden ist, regelt der Einführungstitel in den Bestimmungen über das interlokale Privatrecht, und zwar in Anlehnung an das internationale Privatrecht. Für die Anknüpfung des Personalstatuts tritt an die Stelle der Staatsangehörigkeit insofern die zivile Gebietszugehörigkeit (vecindad civil). Diese wird durch Abstammung von Gebietszugehörigen oder Mindestaufenthalt im betreffenden Gebiet erlangt. Wer als Ausländer die spanische Staatsangehörigkeit erwirbt, muss gegebenenfalls auch für eine zivile Gebietszugehörigkeit optieren.

Im Handelsrecht galt der Código civil von Anfang an nur subsidiär gegenüber dem Código de comercio von 1829/1885 und den darin in Bezug genommenen Handelsbräuchen. Der Código de comercio kommt unabhängig von einer Kaufmannseigenschaft bei allen als Handelsgeschäft anzusehenden Tätigkeiten zur Anwendung. Zu bestimmten Handelsgeschäften und zum Gesellschaftsrecht existieren neuere Spezialgesetze.

3. Prinzipien und Entwicklungslinien

Der historische Gesetzgeber wollte das Zivilrecht nicht reformieren, sondern existierende Rechtsinstitute in einem einheitlichen Gesetzbuch niederlegen und dadurch die Rechtsanwendung vereinfachen. Inwieweit dieses Ziel erreicht wurde, wird bis heute diskutiert. Außer Frage steht, dass der Código als Schöpfung der hochbürgerlichen Epoche auf den Prinzipien der Vertrags- und Testierfreiheit, des Eigentumsrechts und des Schutzes von Ehe und Familie gründet. Seine sprachliche Anschaulichkeit, der eine geringe begriffliche Trennschärfe und eine niedrige Regelungsdichte gegenüberstehen, wird eher mit dem Code civil als mit dem deutschen BGB in Verbindung gebracht. Auch der Aufbau des Código civil und umfangreiche Text- passagen folgen dem französischen Vorbild, so dass das spanische Zivilrecht traditionell dem romanischen Rechtskreis zugeordnet wird.

Die ersten Jahre des Código sind als exegetische Phase zu verstehen, die von einem gewissen Formalismus bei der Auslegung und Anwendung durch die Gerichte gekennzeichnet war und v.a. seitens des französischen Schrifttums beeinflusst wurde. Die mit dem 20. Jahrhundert einsetzende Orientierung an der deutschen und der italienischen Rechtswissenschaft ist im Zusammenhang zu sehen mit dem Bestreben, den Buchstaben des Gesetzes mit der immer rascheren gesellschaftlichen und technischen Entwicklung in Einklang zu bringen. Somit gewannen Rechtsfiguren wie das Verbot des Rechtsmissbrauchs und Treu und Glauben als allgemeine Rechtsgrundsätze an Bedeutung und wurden auch in Spanien zum festen Bestandteil zunächst der Rechtsliteratur, dann der Rechtsprechung und schließlich durch Reformen (hierzu unten 5.) auch des Zivilgesetzbuchs selbst. Die Jahre unter dem totalitären Regime des Generals Franco (1939-1975) bezeugen zwar staatsideologische Einflüsse auf dem Gebiet des Privatrechts, in den Text des Código civil haben sie aber keinen Eingang gefunden.

Erhebliche Auswirkungen hatte demgegenüber die neue Verfassung von 1978. Sie bildet die ranghöchste Rechtsquelle. Damit kommt für das Zivilrecht nicht mehr nur der Rechtsprechung v.a. der letztinstanzlichen ordentlichen Gerichte de facto maßgebliche Bedeutung zu (auf der Ebene des Gesamtstaats der seit dem 19. Jahrhundert als Kassationsgerichtshof agierende spanische Tribunal Supremo). Zunehmenden Einfluss haben auch die Entscheidungen des Tribunal Constitucional über die Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung, insbesondere mit dem darin nach deutschem Vorbild enthaltenen und durch Verfassungsbeschwerde einklagbaren Grundrechtskatalog.

4. Gliederung und Grundzüge

Im Anschluss an den Título Preliminar (Art. 1-16), der sich mit Anwendung und Wirksamkeit von Rechtsnormen im Allgemeinen (einschließlich internationalem und interlokalem Privatrecht) befasst und dem bereits vor dem Inkrafttreten der Verfassung von 1978 quasikonstitutioneller Rang zukam, widmet der Código civil den Themen Personen, Sachen und Arten des Erwerbs von Sachen jeweils ein eigenes Buch. Abweichend vom Code civil und vom Proyecto existiert zusätzlich ein Buch zum Schuld- und Vertragsrecht. Damit besteht der Código bis heute aus vier Büchern, die in Titel, Kapitel und Abschnitte unterteilt sind und insgesamt 1976 Artikel umfassen.

Das erste Buch De las personas (Art. 17-332) enthält das Personenrecht unter Einschluss des Staatsangehörigkeitsrechts. Nach Bestimmungen über Rechtspersönlichkeit und Wohnsitz wird ein Großteil des Familienrechts geregelt, v.a. das – bis auf das im vierten Buch behandelte Güterrecht – landesweit einheitliche Eherecht. Spanien kennt neben der fakultativen Zivilehe noch die religiöse Eheschließung, lässt die Scheidung aber nun unter leichten Voraussetzungen zu. Im Kindschaftsrecht gilt jetzt Gleichberechtigung ohne Rücksicht auf eheliche oder nichteheliche Abstammung. Zum gegenseitigen Unterhalt sind Ehegatten und Verwandte in gerader Linie verpflichtet, mit Einschränkungen auch Geschwister. Minderjährige nicht emanzipierte Kinder stehen unter der gemeinsamen Personen- und Vermögenssorge der Eltern als ihren gesetzlichen Vertretern. Zulässig ist grundsätzlich nur die gerichtliche unwiderrufliche Volladoption zum Wohl des Minderjährigen. Volljährigkeit beginnt mit vollendetem 18. Lebensjahr, soweit nicht schon elterliche oder gerichtliche Emanzipation oder Eheschließung die Geschäftsfähigkeit bewirken.

Das zweite Buch De los bienes, de la propiedad y de sus modificaciones (Art. 333-608) enthält im Wesentlichen Sachenrecht. Das Eigentumsrecht wird mit der rei vindicatio durchgesetzt und gewährt umfassende Nutzung und Verfügung. Gesetzlicher Regelfall für gemeinsames Innehaben von Rechten und Sachen ist die Gütergemeinschaft, wonach das betreffende Eigentum mehreren Personen ungeteilt zusteht. Zum Sondereigentum gehört v.a. das geistige Eigentum, das aber spezialgesetzlich geregelt wird. Besitz ist tatsächliches Innehaben einer Sache oder Genuss eines Rechts, geschützt werden sowohl der Eigen- als auch der Fremdbesitz. Der gutgläubig erlangte Besitz von beweglichen Sachen kommt einem Titel gleich, wodurch im Ergebnis der Eigentumserwerb a non domino ermöglicht wird, jedoch nicht an verlorenen oder unrechtmäßig entzogenen Sachen. Nach der Regelung von Nießbrauch, dinglichen Nutzungsrechten und Dienstbarkeiten an Grundstücken schließt das zweite Buch mit wenigen Bestimmungen zum Grundbuch; wesentliche Bereiche des Immobilienrechts wie z.B. der gutgläubige Eigentumserwerb aufgrund Registereintragung sind in der Ley Hipotecaria geregelt.

Mit dem Vermögenserwerb befasst sich v.a. das dritte Buch De los diferentes modos de adquirir la propiedad (Art. 609-1087). Eigentum und andere Rechte an Vermögen werden entweder kraft Gesetzes (insbesondere durch Aneignung oder Ersitzung), durch Schenkung, im Wege der Erbfolge oder infolge bestimmter Verträge durch Übergabe übertragen. Im ausführlich geregelten Erbrecht bestehen foralrechtliche Besonderheiten. Nach dem Código gilt Gesamtrechtsnachfolge, die der Annahme bedarf; Vermächtnisnehmer erhalten das Vermögen als Einzelrechtsnachfolger; Noterbrechte beschränken die Testierfreiheit; Erbverträge sind ebenso unzulässig wie gemeinschaftliche Testamente. Die gesetzliche Erbfolge stellt auf die Verwandtschaft bis zum vierten Grad in der Seitenlinie ab, neben Abkömmlingen und Vorfahren hat der Ehegatte als gesetzlicher Erbe und Noterbe ein Nießbrauchsrecht, gegenüber Verwandten in der Seitenlinie hat er ein eigenes Erbrecht.

Das vierte Buch De las obligaciones y contratos (Art. 1088-1975) enthält allgemeines Schuldrecht und Regelungen für einzelne Vertragstypen. Dass abweichend vom Code civil ein eigenes Buch existiert, wird v.a. auf die im spanischen Recht verwurzelte Doktrin des Eigentumserwerbs aufgrund von título y modo zurückgeführt: Beim Sachkauf führt nicht bereits der Kaufvertrag zum Eigentumsübergang, vielmehr wird zwischen schuldrechtlicher Grundlage (Titel) und selbständigem Übertragungsakt (Modus) unterschieden, wie ihn v.a. die Übergabe darstellt. Das vierte Buch enthält aber auch Sachen- und Familienrecht, wie z.B. das Ehegüterrecht. Der 1. Titel De las obligaciones (Art. 1088-1253) beginnt mit den allgemeinen Grundsätzen: Jede Verpflichtung besteht in einem Geben, Handeln oder Unterlassen und folgt aus dem Gesetz, aus Verträgen oder Quasiverträgen und aus verbotenen Handlungen bzw. Unterlassungen oder solchen Handlungen, die auf Verschulden beruhen. Verträge haben zwischen den Parteien gesetzesgleiche Wirkung (ley del contrato). Im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Natur und die Wirkungen der Verpflichtungen regelt ein einheitlicher Nichterfüllungstatbestand die Schadensersatzpflicht als Folge von Nicht- oder Schlechtleistung. Die Haftung für Vorsatz kann nicht ausgeschlossen, diejenige für Fahrlässigkeit jedoch vom Richter herabgesetzt werden. Behandelt werden schließlich die verschiedenen Typen von Verpflichtungen und die Erlöschensgründe. Der 2. Titel De los contratos (Art. 1254-1314) beginnt mit allgemeinen Bestimmungen zur Vertragsfreiheit, die in den Grenzen der Gesetze, der Moral und der öffentlichen Ordnung gewährleistet ist und unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben steht (buena fe im objektiven Sinn). Wesentliche Gültigkeitsvoraussetzungen für Verträge sind Konsens, bestimmter Vertragsgegenstand und causa. Formerfordernisse bilden nach dem im spanischen Vertragsrecht verwurzelten principio espiritualista die Ausnahme. Verträge sind gemäß dem gesetzlichen Kanon objektiv und subjektiv auszulegen und können nur unter engen Voraussetzungen angefochten werden, soweit sie nicht wegen Arglist, Drohung, Gewalt oder Irrtums nichtig oder vernichtbar sind. Der 3. Titel Del régimen económico matrimonial (Art. 1315-1444) enthält das Ehegüterrecht, für das foralrechtliche Sonderbestimmungen bestehen. Nach dem Código haben Eheverträge Vorrang, so dass die Materie zwischen dem „allgemeinen“ Schuldrecht und den besonderen Vertragstypen angesiedelt ist, mit der Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichem Güterstand. Der 4. Titel Del contrato de compra y venta (Art. 1445-1537) regelt den Kaufvertrag und die Gewährleistung recht ausführlich und gleichsam prototypisch für die in den anschließenden Titeln knapp gehaltenen weiteren Vertragsarten. Hierzu gehört insbesondere die Überlassung (arrendamiento) von Gegenständen, Werkleistungen oder Diensten, außerdem der Grundtypus der (rechtsfähigen) Personengesellschaft und der Auftrag, dessen einzige Bestimmung zum Recht der Stellvertretung in der Auslegung durch Rechtsprechung und Literatur auf jegliche Art von Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Im 16. Titel über Verpflichtungen, die aus anderen Gründen als durch Verträge entstehen (Art. 1887-1910), sind zum einen die cuasicontratos, namentlich die Besorgung fremder Geschäfte und wenige Fälle bereicherungsrechtlicher Ansprüche (cobro de lo indebido) angesiedelt. Zum anderen findet sich hier, bei den aus Verschulden oder Nachlässigkeit entstehenden Verbindlichkeiten, die deliktische Generalklausel, wonach eine Person zum Ersatz des verursachten Schadens verpflichtet ist, wenn sie einem anderen durch ein Handeln oder Unterlassen schuldhaft (dolo) oder fahrlässig (negligencia) Schaden zufügt; die Rechtsprechung hat hieraus ein System strikter Haftung entwickelt. Der 18. Titel (Art. 1930-1975) beschließt das Buch und behandelt zwei unterschiedliche Arten der Verjährung: die prescripción adquisitiva führt zum Erwerb dinglicher Rechten, wenn neben einem besonderen gesetzlichen Erwerbsgrund auch guter Glaube vorliegt (buena fe im subjektiven Sinn); die prescripción extintiva bewirkt den Rechtsverlust nach Ablauf gesetzlicher Fristen. Rechte an beweglichen Sachen verjähren grundsätzlich sechs Jahre nach Besitzverlust, bei Immobilien beträgt die Frist 30 Jahre. Vertragliche Ansprüche verjähren prinzipiell nach 15 Jahren, Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach drei Jahren.

5. Reformen, Dekodifikation und europäisches Privatrecht

Durch rund 50 Novellen seit Veröffentlichung des Código versuchte der spanische Gesetzgeber, mit dem gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten, ohne in die Systematik der Kodifikation einzugreifen. Eine Flexibilisierung nicht nur des Código sollte durch die Reform des Einführungstitels mit dem Rechtsquellenkanon und neue Bestimmungen wie der Generalklausel von Treu und Glauben erreicht werden (1974). Die Akzeptanz der Gleichheit der Geschlechter bewirkte Anpassungen im Familien- und Vermögensrecht (1975, 1981, 1990), zuletzt sogar die Öffnung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Paare (2005). Spätestens seit der neuen Zivilprozessordnung (2000) enthält der Código kaum noch Verfahrensrecht. Entgegen dem kodifikatorischen Leitbild von der Einheit kamen ihm mit der Verselbständigung des Rechts der Arbeitsverhältnisse (1938, 1980), der Wohnraummiete (1964, 1994) und des Verbraucherschutzes (1984) gemessen an der Zahl der Rechtsverhältnisse wichtige Regelungsbereiche abhanden. Bezeichnend für den heutigen Stellenwert des Zivilgesetzbuchs ist, dass die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes (Verbraucher und Verbraucherschutz) durch den Erlass von Sondergesetzen erfolgt und der Código grundsätzlich unberührt bleibt.

Zu beobachten ist neuerdings ein Erstarken der Foralrechte, indem die betreffenden Comunidades Autónomas zunehmend von ihrer verfassungsmäßigen, im Einzelnen aber stark auslegungsbedürftigen Kompetenz zur Bewahrung, Anpassung und Entwicklung des eigenen Rechts Gebrauch machen. Dem Zentralstaat vorbehalten ist jedenfalls die Gesetzgebungskompetenz für Regeln über die Anwendung und Wirksamkeit von Rechtsnormen, die Form der Eheschließung, die Organisation der öffentlichen Register, die Grundlagen des Vertragsrechts und das internationale Privatrecht. Nachdem gegen Ende des 20. Jahrhunderts die meisten compilaciones durch Leyes de Derecho civil foral ersetzt wurden, arbeitet der katalanische Gesetzgeber seit 2002 sogar an einem Código Civil de Cataluña, durch den sich die eigene Rechtstradition gegenüber dem zentralspanischen Recht behaupten soll. Nicht selten sind es Vertreter der Foralrechtsordnungen, die sich an der europäischen Privatrechtswissenschaft beteiligen und diese vielfach als maßgebliche Erkenntnisquelle für zeitgemäße Rechtsfortbildung innerhalb eines größeren Rahmens ansehen.

Literatur

Florencio García Goyena y Orobia, Concordancias, motivos y comentarios del código civil español, 1852 (Nachdruck 1974); Juan Francisco Lasso Gaite, Crónica de la codificación española, Codificación civil: Génesis e historia del Código, Bd. 4, Teilbde. 1 und 2, 1979; Johannes-Michael Scholz, Spanische Privatrechtsgesetzgebung des 19. Jahrhunderts, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren Europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 3, Teilbd. 1, 1982, 397 ff.; Asociación de Profesores de Derecho Civil (Hg.), Centenario del Código Civil, 2 Bde., 1990; Sjef van Erp, Antoni Vaquer (Hg.), Introduction to Spanish Patrimonial Law, 2006; Klaus Adomeit, Federico Frühbeck Olmedo u.a., Einführung in das spanische Recht, 3. Aufl. 2007; Christian Eckl, Treu und Glauben im spanischen Vertragsrecht, 2007; Federico de Castro y Bravo, Derecho civil de España, 3 Bde., 2008 (ND früherer Schriften des bedeutenden spanischen Zivilrechtswissenschaftlers aus den Jahren 1949-1971).

Quellen

Die endgültige Fassung des Código civil wurde aufgrund Königlichen Dekrets vom 24.7.1889 am darauffolgenden Tag in der Gaceta de Madrid verkündet. Änderungsgesetze werden stets mit einer einleitenden Gesetzesbegründung im Boletín Oficial del Estado veröffentlicht, das seit dem 1.1.2009 nur noch in elektronischer Form erscheint http://www.boe.es. Eine konsolidierte Fassung des Código civil ist etwa unter http://noticias.juridicas.com/base_datos/Privado/cc abrufbar. Deutsche Übersetzungen: Witold Peuster, Código civil: Das Spanische Zivilgesetzbuch (Spanisch-Deutsche Textausgabe), 2002; Wolfgang Sohst, Das spanische Bürgerliche Gesetzbuch: Código civil español und Spanisches Notargesetz (Text und Kommentar), 3. Aufl. 2005. Englische Übersetzung: Julio Romañach, Civil code of Spain, 1994.