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Aktuelle Version vom 28. September 2021, 15:51 Uhr

von Patrick C. Leyens

1. Begriff des Finanzintermediärs

Finanzintermediäre nehmen eine Vermittlerstellung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern ein. Der Begriff des Finanzintermediärs ist ökonomisch geprägt und im internationalen wie interdisziplinären Sprachgebrauch üblich. Finanzintermediäre im engeren Sinne sind vor allem Banken (Europäischer Bankenmarkt). Zu nennen sind außerdem Versicherungen (Versicherungsbinnenmarkt), Kapitalanlagegesellschaften, sonstige Allfinanz-Dienstleister und auch Börsen. Im weiteren Sinne werden sämtliche Institutionen, deren Leistungen die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage unterstützen, als Finanzintermediäre bezeichnet.

2. Funktion der Finanz­intermediation

Finanzintermediäre im engeren Sinne erfüllen im Wesentlichen drei Funktionen: Erstens gestalten sie den Faktor Kapital um (Transformationsfunktion). Privathaushalte besitzen in der Summe einen Kapitalüberschuss und stellen daraus den Großteil der Einlagen, während Unternehmen typischerweise Kapitalbedarf haben und Kredite benötigen. Banken fassen das Angebot und die Nachfrage einer Vielzahl von Privathaushalten und Unternehmen zusammen. Dadurch bringen sie die Unterschiede in den Volumina (Losgrößen), den Zeiträumen (Fristen), der Kapitalverfügbarkeit (Liquidität) und den Sicherungsbedürfnissen (Risiken) in Ausgleich.

Zweite Teilfunktion ist die Transaktionsabwicklung. Dazu gehört das technische Zusammenführen von Kapitalangebot und ‑nachfrage, wie es durch Börsen und die Anbieter alternativer Handelssysteme übernommen wird. Finanzintermediäre wie Banken erbringen darüber hinaus Leistungen in Bezug auf die Anbahnung, den Abschluss und die Abwicklung von Transaktionen. Dabei wenden sie standardisierte und damit kostengünstige Verfahren an.

Die dritte Teilfunktion besteht in der Informationsintermediation, also der Informationsvermittlung zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragenden. Diese wird zum Teil von den Finanzintermediären im engeren Sinne erbracht, zum Teil wird sie von spezialisierten Finanzintermediären im weiteren Sinne, den Informationsintermediären, geleistet. Die Informationsintermediation ermöglicht oder unterstützt die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage und trägt allgemein zur Informationseffizienz des Finanzmarkts bei. Bei der Informationsintermediation werden vorhandene Informationen verifiziert, fehlende Informationen substituiert und Informationen im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung evaluiert. Die wichtigsten Informationsintermediäre des Finanzmarkts sind Abschlussprüfer, Finanzanalysten und Rating-Agenturen.

Zentrale Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzintermediären werden von der Transaktionskostenökonomik und der Prinzipal-Agenten-Theorie geliefert (Ökonomische Analyse des Europäischen Privatrechts). Die Erklärungsansätze sind auf Banken zugeschnitten, aber auch auf andere Finanzintermediäre übertragbar. Der Transaktionskostenökonomik liegt die realitätsnahe Annahme zugrunde, dass der Abschluss von Verträgen eigene Kosten verursacht (Transaktionskosten). Der Finanzintermediär senkt diese Kosten, indem er die Interessen einer Vielzahl von Kapitalanbietern oder ‑nachfragern bündelt und damit die Anzahl der erforderlichen Verträge reduziert. Hierbei fallen besonders aus Verbrauchersicht (Verbraucher und Verbraucherschutz) die Gütereigenschaften von Finanzprodukten ins Gewicht. Finanzprodukte weisen in hohem Maße Vertrauenseigenschaften auf. In Abgrenzung zu Erfahrungsgütern ist ihre relative Eignung zur Erreichung individueller Ziele nicht durch eigene Erfahrung (Konsum) beurteilbar. Das gilt vor allem bei langen Investitionshorizonten, also beispielsweise bei der privaten Altersvorsorge (Betriebsrenten, Pensionsfonds). Durch ihre Wissensspezialisierung sind Finanzintermediäre in der Lage, diese Informationsschwächen der Kapitalnachfragenden zu vergleichsweise günstigen Kosten zu überwinden.

Ausgangspunkt der Prinzipal-Agenten-Theorie ist die Annahme, dass der Kapitalgeber (Prinzipal) die Handlungen des Kapitalnehmers (Agent) nach Vertragsschluss nicht mehr überwachen kann. Es besteht also eine Informationsasymmetrie, die der Agent dazu ausnutzen kann, absprachewidrig Profite zu eigenen Zwecken zu verbrauchen, anstatt sie an den Prinzipal weiterzuleiten. Beispiel hierfür ist die Kreditbeziehung. Für den einzelnen nicht-unternehmerisch tätigen Kreditgeber sind eigenständige Kontrollmaßnahmen im Regelfall mit prohibitiv hohen Kosten verbunden. Zudem kämen seine Kontrollanstrengungen anderen Kreditgebern zugute, ohne dass er hierfür einen Ausgleich verlangen könnte. Der Zusammenschluss mit anderen Kreditgebern ist häufig mit hohen Koordinationskosten verbunden und unterbleibt deshalb. Infolgedessen kommt es zu einer rationalen Kontrollapathie des einzelnen Prinzipals, die seine Ausbeutung durch den Agenten ermöglicht.

Das beschriebene Kontrollproblem besteht allgemein im Verhältnis zwischen Kapitalanbietern und ‑nachfragern. Finanzintermediäre erweisen sich vor diesem Hintergrund als kostengünstiger Überwachungsmechanismus. Zu den Überwachungsleistungen einer Bank zählt etwa die interne Prüfung der Kreditwürdigkeit und der Ertragsaussichten des Kreditnehmers. Die Börsen können durch Marktsegmentierung und spezifische Zulassungserfordernisse zu einem Wettbewerb der Emittenten um Qualität beitragen. Informationsintermediäre wie Abschlussprüfer, Finanzanalysten und Rating-Agenturen stärken dabei die Information des Anlegerpublikums. Insgesamt trägt die Finanzintermediation zu einer wohlfahrtssteigernden Allokation von Finanzmitteln bei leistungsstarken Kapitalnachfragern bei.

Gegenbegriff zur Finanzintermediation ist die Disintermediation. Hiermit wird die Herauslösung der traditionell von Finanzintermediären wahrgenommen Vermittlungsleistungen und ihre Verlagerung auf unmittelbar im Markt ausgeführte Transaktionen beschrieben. Das unmittelbare Kontrahieren zwischen Kapitalgebern und ‑nehmern ist aus ökonomischer Sicht sinnvoll, wenn eine Transformationsleistung durch Intermedi-äre nicht aus Gründen der Transaktionskosten, insbesondere infolge von Informationsasymmetrien erforderlich ist. Klassisches Beispiel sind insbesondere Investitionen in die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Aktien oder Schuldverschreibungen. Die beschriebenen Gütereigenschaften von Finanzprodukten führen jedoch dazu, dass auch hier die Inanspruchnahme von Informationsintermediären nur selten verzichtbar ist. Das Verhältnis zwischen Intermediation und Disintermediation ist je nach den Eigenheiten des betreffenden Finanzraums unterschiedlich ausgeprägt. Gerade in Hinblick auf die für Verbraucher wichtige Altersvorsorge ist die Investition in Kapitalmarktprodukte in Kontinentaleuropa oder auch Japan weniger verbreitet als etwa im Vereinigten Königreich oder den USA.

3. Stand der europäischen Rechtsangleichung

Die europäische Rechtsangleichung ist im Bereich der Finanzintermediäre weit fortgeschritten. Vorrangiges Leitprinzip ist die gegenseitige Anerkennung: Der europäische Pass für genehmigungspflichtige Finanzdienstleistungen erlaubt es Intermediären, die bereits in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, ohne weitere Zulassungserfordernisse auch in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu werden. Diese weitreichende Öffnung der nationalen Märkte wird durch eine im europäischen Wirtschaftsrecht kaum überbotene Kohärenz materieller Rechtsregeln möglich.

Der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen von 1999 wurde bis 2005 umgesetzt. Zu seinen Themen gehören sämtliche Finanzintermediäre, also insbesondere Banken, sonstige Finanzdienstleister und Versicherungen. Ziel war die Schaffung eines europäischen Regelungssystems, das durch die Koordinierung der Aufsichtsbehörden rasch auf neue Herausforderungen zu reagieren vermag und die Fragmentierung des europäischen Binnenfinanzmarkts beseitigt. In Umsetzung des Aktionsplans wurden die Rechtsregeln zum Schutz der Integrität von Finanzintermediären konsolidiert und erweitert. Das Kernstück bilden die beiden Richtlinien zur Kapitalbildung und ‑erhaltung von Banken (RL 2006/48 und RL 2006/49). Zusammen mit den bereits zuvor erlassenen Richtlinien zur Mindestsicherung der privaten Einleger und Anleger (RL 94/19 und 97/9) gegen Forderungsausfälle infolge der Insolvenz eines Finanzintermediärs soll ein umfassendes Schutzkonzept gegen Schwächen der Kapitalisierung von Finanzintermediären gewährleistet werden.

Einen weiteren Regelungsfokus bilden die marktlichen Verhaltenspflichten der Finanzintermediäre. Der erste von zwei besonders wichtigen Rechtsakten ist die 2003 erlassene Marktmissbrauchs-RL (RL 2003/6). Sie löst die Insider-Geschäfte-RL (RL 89/592) ab und unterstellt sämtliche Formen des Marktmissbrauchs (Marktmanipulation) einem einheitlichen Ansatz. Ein Marktmissbrauch kann hiernach nicht nur vorliegen, wenn Anleger in unangemessener Weise benachteiligt werden, weil andere Personen Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind, zu ihrem Vorteil oder dem eines Dritten ausnutzen (Insidergeschäft). Er kann sich auch daraus ergeben, dass auf die Kursbildung von Finanzinstrumenten eingewirkt wird oder falsche oder irreführende Informationen verbreitet werden. Für Verstöße gegen die Verbotstatbestände sieht die Marktmissbrauchs-RL straf- wie verwaltungsrechtlichen Sanktionen vor und zwar sowohl für geregelte wie ungeregelte Märkte für Finanzinstrumente.

Der zweite Rechtsakt zu den marktlichen Verhaltenspflichten ist die im Jahre 2004 verabschiedete Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, RL 2004/39). Die MiFID ist gleich einer finanzmarktrechtlichen Verfassung konzipiert. Sie löst die Wertpapierdienstleistungs-RL (RL 93/22) ab und führt den europäischen Pass allgemein ein. Weiter regelt sie die Ausführung von Anlegeraufträgen durch Börsen, andere Handelssysteme und Wertpapierdienstleister. Insbesondere ist derjenige Handelsplatz zu wählen, der das beste Ergebnis hinsichtlich Kosten, Wahrscheinlichkeit und Schnelligkeit der Ausführung gewährleistet (best execution). Die Einhaltung der best execution (und anderer MiFID-Bestimmungen) ist zu dokumentieren und den Aufsichtsbehörden nachzuweisen. Dem Kunden gegenüber sind Vorteile offenzulegen, die der Finanzintermediär für seine Vermittlungsleistung zum Beispiel vom Anbieter als sog. Rückvergütung erhält (kick-back). Zukunftsweisend ist die Differenzierung zwischen Verbrauchergeschäften und solchen mit „geeigneten Gegenparteien“, bei denen auf die Geltung einzelner Verhaltenspflichten verzichtet wird. Aus dem Kreis der Finanzintermediäre im weiteren Sinne spricht die MiFID die Finanzanalysten an und unterwirft sie engmaschigen Regeln zum Umgang mit Interessenkonflikten.

4. Regelungsfragen und ‑strukturen

Überspannendes Prinzip der Finanzmarktregulierung ist die untrennbare Verbindung des Marktfunktions- und des Anlegerindividualschutzes. Finanzmärkte sind zu ihrer Funktionstüchtigkeit auf ein hinreichendes Maß an Vertrauen des Anlegerpublikums angewiesen (Kapitalanlegerschutz). Theoretisch wie praktisch ist hierfür die Rollenbildung der Finanzintermediäre von Bedeutung. Finanzintermediäre nehmen in erheblichem Maß Einfluss auf den Marktzugang der Kapitalanbieter und ‑nachfrager. Das gilt für Finanzintermediäre im engeren Sinne, die durch die Auswahl von Kreditnehmern, die Vermarktung bestimmter Finanzinstrumente oder auch die Emissionsbegleitung auf die Marktaufnahme und den Handel der Finanzinstrumente Einfluss nehmen. Die Einschätzungen der Informationsintermediäre sind sodann für die öffentliche Wahrnehmung des Emittenten ausschlaggebend. Bei schlechter Beurteilung seiner Verlässlichkeit verteuert sich die Kapitalsuche um einen Risikoaufschlag oder kann gar scheitern.

Diese Einflussposition ist in den USA bereits in den 1980er Jahren als gatekeeper-Stellung erkannt worden. Finanzintermediäre vermögen durch die Gewährung oder Versagung ihrer beruflichen Leistung Emittenten den Marktzugang zu öffnen oder zu verschließen (gatekeeping). Ihrer Einflussposition entsprechend sollen ihnen Pflichten zugewiesen werden können, die funktional der Unterstützung aufsichtsbehördlicher Aufgaben dienen können. In Europa hat die gatekeeper-Theorie, soweit ersichtlich, bislang keine umfassende rechtsstheoretische Einbettung erfahren. In der Sache finden sich ihre Grundannahmen aber etwa in dem europäisch zu weiten Teilen vereinheitlichten Recht der Abschlussprüfung (Abschlussprüfer). Emittenten sind verpflichtet, jährlich ein Testat des Abschlussprüfers zur Ordnungsgemäßheit ihrer Rechnungslegung einzuholen. Durch die Möglichkeit des Abschlussprüfers, das Testat zulasten der öffentlichen Wahrnehmung des Emittenten einzuschränken, werden die Erfolgsaussichten der Kapitalsuche der Beurteilung durch einen privaten Dritten unterworfen, der im öffentlichen Interesse tätig wird. Rechtstatsächlich vergleichbare Wirkungen kommen den Urteilen der Rating-Agenturen und Finanzanalysten zu. Es stellt sich demgemäß die Frage, ob und wie auch die Tätigkeit dieser Informationsintermediäre stärker als bisher regulatorisch nutzbar gemacht werden kann und sollte.

Die vertiefte Auseinandersetzung mit der Rolle der Finanzintermediäre ist auch im Zusammenhang mit der Corporate Governance börsennotierter Unternehmen angezeigt. In Kontinentaleuropa nehmen Banken traditionell stärkeren Einfluss auf die gesellschaftsinternen Leitungs- und Überwachungsentscheidungen als in den USA oder dem Vereinigten Königreich. Insbesondere in Deutschland waren Bankenvertreter häufig im Aufsichtsrat der Unternehmen vertreten. Die damit verbundenen Interessenkonflikte und Haftungsgefahren führten in den letzten Jahren zu einem Rückzug der Bankenvertreter aus den Aufsichtsräten. Damit einher ging die weitgehende Aufgabe der Eigenbeteiligungen von Banken. Mit der Rückbesinnung der Banken auf ihr Kerngeschäft kommt es zu einem Paradigmenwechsel bei der Unternehmensüberwachung. Indirekt führt dies zu einer Steigerung der Bedeutung von Finanzintermediären im weiteren Sinne, denn ihre Informationsdienstleistungen sind für eine verstärkte marktliche Kontrolle der Emittenten von kaum zu unterschätzender Bedeutung.

5. Vereinheitlichungsprojekte und ‑perspektiven

Die europäischen Vereinheitlichungsprojekte und ‑perspektiven der nahen Zukunft werden von der Europäischen Kommission in dem 2005 veröffentlichten Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik 2005-2010 dargelegt. Die drei wesentlichen Ziele setzen den Weg des Finanzmarktaktionsplans von 1999 fort. Sie betreffen erstens die Um- und Durchsetzung und ständigen Bewertung bestehender Gesetzgebung mit strengen Folgenabschätzungen und gründlichen Konsultationen bei künftigen Reforminitiativen. Zweitens sollen die noch vorhandenen Beschränkungen der Marktintegration überwunden werden. In diesem Zusammenhang sollen drittens die aufsichtsrechtliche Zusammenarbeit und Konvergenz in der Europäischen Union verbessert, die Beziehungen mit anderen globalen Finanzplätzen und die Stärkung des europäischen Einflusses weltweit intensiviert werden.

Die zuletzt angesprochene Stärkung der globalen Präsenz des europäischen Binnenmarkts weist vor allem in Richtung einer Intensivierung des transatlantischen Dialogs. Das internationale Kapitalmarktgeschehen ist in weiten Teilen durch den Finanzmarkt der USA bestimmt oder beeinflusst. Das rasche volkswirtschaftliche Wachstum in Asien, insbesondere in China, legt auch unabhängig davon nahe, die mit Japan bereits verfestigte europäisch-asiatische Kommunikation auszubauen.

Zentrale Frage der europäischen Finanzmarktintegration ist die nach dem Erfordernis einer gemeinsamen Aufsicht über Finanzdienstleistungen. Eine eindeutige Antwort ist wegen der unterschiedlichen finanzmarktlichen Interaktionsprozessen kaum möglich. Grundlegende Unterschiede bestehen etwa in der Funktionsweise der Selbstregulierung. In der City of London haben Codes of Conduct (Private Rechtsetzung und Codes of Conduct) etwa im Bereich des Übernahmerechts zu beachtlichen Erfolgen geführt. In anderen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, erwies sich die Selbstregulierung häufig als deutlich weniger erfolgreich. Dem Weißbuch der Europäischen Kommission von 2005 zufolge soll deshalb zunächst der Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsbehörden und die Koordination ihrer Maßnahmen verbessert werden.

Schrittmacher der Rechtsvereinheitlichung und Rechtspraxis ist die International Organization of Securities Commissions (IOSCO). Die IOSCO ist 1983 aus einer neun Jahre zuvor gegründeten und zunächst noch nicht international agierenden Organisation hervorgegangen. Heute gehören ihr Vertreter zahlreicher nationaler Finanzmarktaufsichtsbehörden an. Ihr ständiger Arbeitsfokus besteht in der Beobachtung und Fortbildung international bewährter Handelspraktiken (best practice) und deren Übersetzung in konkrete Maßnahmen, die ein rechtskonformes Verhalten der Finanzintermediäre sicherstellen (compliance). Beispiel für den Einfluss auf die europäische Regelsetzung sind die im Frühjahr 2009 in zwingendes Recht überführten Empfehlungen der IOSCO zum Wohlverhalten der Rating-Agenturen.

Die internationale Praxis beeinflusst aber auch das Recht der Finanzintermediäre im engeren Sinne. Beobachtbar war dies in den letzten Jahren etwa im Zusammenhang mit den Interessenwahrungspflichten bei Emissionsbegleitungen. Der Finanzintermediär hat hierbei das Interesse des Emittenten an der Kapitalbeschaffung, die Interessen der Anleger an fairer Zuteilung und Preisbildung und nicht zuletzt die eigenen Vertriebsinteressen in Ausgleich zu bringen. Das Trennbankensystem, das Interessenkonflikte durch die Leistungsinkompatibilität von Kredit- und Emissionsgeschäft vermeidet, konnte sich international nicht durchsetzen. Mit dem Wegfall des US-amerikanischen Glass-Steagall Act im Jahre 1999 verlor es seinen wichtigsten Repräsentanten. Im heute vorherrschenden Universalbankensystem, wie es z.B. in Deutschland seit jeher betrieben wird, sind demgemäß organisatorische Maßnahmen zur Konfliktprävention und ‑behandlung zu treffen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt die IOSCO seit 2007 u.a. die Abstandnahme von der Emissionsbegleitung, wenn dem Intermediär eine Darlehensforderung gegen den Emittenten zusteht, die ohne den Emissionserlös nicht zu befriedigen wäre. In einigen Rechtsordnungen, darunter Deutschland, hat eine so weitreichende Abstandnahmepflicht bislang keine allgemein-zivilrechtliche Verfestigung erfahren. Das Recht der Finanzintermediäre trägt damit, vermittelt über internationale Vereinheitlichungsbemühungen, zur Integration des europäischen Privatrechts insgesamt bei.

Literatur

Klaus J. Hopt, Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975; Douglas W. Diamond, Financial Intermediation and Delegated Monitoring, The Review of Economic Studies 51 (1984) 393 ff.; Ram T.S. Ramakrishnan, Anjan V. Thakor, Information Reliability and a Theory of Financial Intermediation, The Review of Economic Studies 51 (1984) 415 ff.; Reinier R. Kraakman, Gatekeepers, Journal of Law, Economics & Organization 2 (1986) 53 ff.; Niamh Moloney, EC Securities Regulation, 2. Aufl. 2008; Anton K. Schnyder, Europäisches Banken- und Versicherungsrecht, 2005; John C. Coffee, Gatekeepers, 2006; Guido Ferrarini, Eddy Wymeersch (Hg.), Investor Protection in Europe, 2006; Jochen Bigus, Patrick C. Leyens, Einlagensicherung und Anlegerentschädigung, 2008; Christoph Kumpan, Patrick C. Leyens, Conflicts of Interest of Financial Intermediaries, European Company and Financial Law Review 2008, 72 ff.

Abgerufen von Finanzintermediär – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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