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Aktuelle Version vom 8. September 2021, 10:56 Uhr

von Thomas von Hippel

1. Gegenstand und Zweck

Der Verein ist eine mitgliedschaftlich verfasste Rechtsform, die typischerweise den Status einer juristische Person innehat und typischerweise einen sog. „ideellen“ Zweck verfolgt.

Ein länderübergreifendes bezeichnendes Merkmal der Vereine ist ihre große Anzahl (so gibt es etwa in Deutschland ca. 600.000, in Frankreich sogar ca. 1.000.000 Vereine) und ihre große Heterogenität. Vereine unterscheiden sich in ihrer Größe, Organisationsverfassung, Tätigkeit und Funktion oft erheblich. Ein Verein kann in fremdnütziger Weise gemeinnützige Zwecke fördern und erhebliche Steuervergünstigungen erhalten (z.B. Greenpeace), er kann Interessenvertreter einer bestimmten Gruppe sein (z.B. die Wirtschaftsverbände), er kann eine politische Partei sein, und er kann selbst oder durch Tochtergesellschaften erhebliche unternehmerische Tätigkeiten ausüben, wenn es sich um einen mitgliedernützigen Verein (z.B. den ADAC), ein Sozialunternehmen (z.B. das Deutsche Rote Kreuz) oder einen professionellen Sportverein (z.B. Bayern München oder den Hamburger Sportverein) handelt.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Schwierigkeiten, die sich aus dieser Heterogenität ergeben, liegen auf der Hand: Dient nämlich die Vereinsform als Rahmen für ganz unterschiedliche Funktionen, so kann das allgemeine Vereinsrecht nur sehr allgemeine rudimentäre Regelungen bereithalten und muss es den Vereinsmitgliedern überlassen, im konkreten Falle die geeigneten Regeln festzulegen. Freilich liegt es dann nahe, Spezialregelungen für bestimmte Vereine zu schaffen, die an die Zwecksetzung, Tätigkeit oder an die Größe des Vereins anknüpfen. Diese Regeln lassen sich jedoch oft nicht ohne weiteres auffinden, weil sie entweder in anderen Gesetzen geregelt (z.B. im Handels- oder Steuerrecht) oder durch die Rechtsprechung entwickelt worden sind.

Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, wenngleich verständlich, dass die rechtsvergleichende Forschung im Vereinsrecht relativ rudimentär ist und bei weitem nicht den Erkenntnisstand erreicht hat, wie er für die meisten anderen Rechtsformen (etwa für die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder seit ca. 10 Jahren auch für die Stiftung) besteht.

Entsprechend unscharf lassen sich daher die Tendenzen der Rechtsentwicklung im Vereinsrecht nachzeichnen.

Eine allgemeine fundamentale Tendenz ist im historischen Rückblick im öffentlichen Vereinsrecht und – hiermit in engem Zusammenhang stehend – im Genehmigungsverfahren erkennbar: Im absoluten monarchischen Staat mit polizeistaatlicher Überwachung seiner Untertanen waren Vereine generell dem Verdacht ausgesetzt, staatsfeindliche Entwicklungen zu befördern (wie z.B. sozialdemokratische oder gewerkschaftliche Vereine). Ein Verein bedurfte daher einer staatlichen Genehmigung, deren Erteilung im freien Ermessen der Obrigkeit lag. Mittlerweile hat sich in den meisten europäischen Ländern die Vereinsfreiheit durchgesetzt. Danach haben die Gründer eines Vereins regelmäßig einen Anspruch auf Errichtung des Vereins, solange sie die allgemeinen Voraussetzungen des Vereinsrechts erfüllen. Ein Ermessen des Staats besteht nicht mehr, verboten sind nur noch Vereine, die rechtswidrige oder verfassungsfeindliche Zwecke fördern.

Abgesehen hiervon ist das Bild nach dem derzeitigen Erkenntnisstand zu diffus, um beurteilen zu können, welche weiteren länderübergreifenden Tendenzen der Rechtsentwicklung bestehen. Insoweit zeigen sich nur Ansätze. So scheinen manche Länder dazu übergegangen zu sein, mehr oder minder umfangreiche Sonderregimes für einzelne Vereinsformen zu entwickeln (z.B. Frankreich, Österreich). Andererseits gibt es aber auch Staaten, in denen das Vereinsrecht nach wie vor weitgehend einheitlich durch allgemeine Bestimmungen geregelt wird (z.B. Deutschland).

3. Regelungsstrukturen

a) Allgemeine Charakteristika

Ein Vergleich zeigt eine Reihe von strukturellen Gemeinsamkeiten und Gegensätzen: Im nationalen Vereinsrecht finden sich umfassende Rechtsfähigkeit (z.B. in Deutschland und den Niederlanden) und relative Rechtsfähigkeit (in den romanischen Staaten). Teilweise gibt es außerdem Vereine ohne Rechtspersönlichkeit. Im angloamerikanischen und im schweizerischen Recht wird die ultra vires-Lehre vertreten. Unterschiede zeigen sich ferner bei der staatlichen Mitwirkung im Gründungsverfahren (z.B. bei der Genehmigung oder Registrierung), die in manchen Ländern selbst bei rechtsfähigen Idealvereinen völlig fehlen kann (z.B. in Schweden und teilweise der Schweiz). Die Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen ist anscheinend in allen Rechtsordnungen bei rechtsfähigen Vereinen der Ausgangspunkt, während sich die Situation beim nichtrechtsfähigen Verein komplexer darstellt.

b) Ideeller Zweck

Der Verein steht neben anderen juristischen Personen, die für unternehmerische, gewinnorientierte Tätigkeiten konzipiert worden sind (insbes. Aktiengesellschaft und GmbH). Typischerweise sieht das Vereinsrecht daher vor, dass solche Tätigkeiten nicht in der Rechtsform eines Vereins, sondern in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder GmbH als „Handelsverein“ betrieben werden sollen.

Allerdings stellt sich in allen Rechtsordnungen die bislang rechtsvergleichend nur ansatzweise untersuchte Frage nach der Abgrenzung zwischen Verein und „Handelsverein“. Nicht selten scheint der Gesetzestext hier in eher unpräziser Form festzulegen, dass der Vereinszweck nicht „auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet“ sein dürfe (so §§ 21, 22 BGB) bzw. dass der Verein ideelle Zwecke verfolgen solle (so sinngemäß in der Schweiz), oder dass keine Gewinnerzielung angestrebt werden solle (so sinngemäß in Frankreich Österreich), so dass die Entscheidung der Rechtsprechung übertragen ist. Bei dieser Entscheidung spielen dann regelmäßig objektive Gesichtspunkte (handelt es sich um eine unternehmerische Tätigkeit?) und subjektive Gesichtspunkte (besteht Gewinnerzielungsabsicht?) eine Rolle.

Ein totales Verbot jeglicher unternehmerischen Vereinstätigkeit ist unüblich und wäre auch rechtspolitisch problematisch, weil die meisten Vereine zur Förderung ihres Vereinszwecks gegenüber ihren Mitgliedern oder Dritten gegen Entgelt Leistungen anbieten und somit unternehmerisch tätig sind.

Ein Teil der Länder akzeptiert unternehmerische Tätigkeiten allerdings nur im Rahmen eines „Nebenzweckprivilegs“ bzw. „Nebentätigkeitsprivilegs“ (z.B. Deutschland, Belgien). Demnach sind unternehmerische Tätigkeiten nur zulässig, solange sie bei einer wertenden Betrachtung gegenüber den anderen Vereinstätigkeiten untergeordnet erscheinen. Die meisten Länder scheinen zu akzeptieren, dass der Verein Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter einer Tochtergesellschaft wird und die unternehmerischen Vereinstätigkeiten auf diese Tochtergesellschaft auslagert. Auch in Deutschland hat der BGH Anfang der 1980er Jahre im ADAC-Urteil diese Lösung gebilligt (BGH 20.9.1982, BGHZ 85, 84), die von einem Großteil der Literatur allerdings aus unterschiedlichen Gründen nach wie vor kritisiert wird. Anzumerken ist außerdem, dass bei einer Überschreitung des Nebenzweckprivilegs regelmäßig keine Haftung der Vereinsmitglieder eintritt (so jüngst BGH 10.12. 2007, NZG 2008, 670 im Kolpingwerk-Urteil).

In anderen Ländern wird hingegen auf die Gewinnerzielungsabsicht abgestellt, so dass demnach Vereine, die ihren Mitgliedern einen Gewinn versprechen, unzulässig sind (z.B. in der Schweiz).

Bisweilen finden sich auch handels- oder unternehmensrechtliche Sonderregelungen für unternehmerisch tätige Vereine, die diese mehr oder minder einer GmbH angleichen (ohne dabei allerdings ein Mindestkapital zu verlangen), so z.B. die Niederlande und in Ansätzen auch das neue österreichische Vereinsrecht.

c) Organisationsstruktur

Das Vereinsrecht sieht zumindest zwei Organe vor: die Mitgliederversammlung und den Vorstand. In vielen Staaten scheint der Gesetzgeber sich auf rudimentäre zwingende Regelungen zu beschränken und dem Satzungsgeber einen großen Gestaltungsspielraum für die weitere Ausgestaltung der Organisation des Vereins zu belassen, wobei offenbar in mehreren Ländern nicht abschließend geklärt zu sein scheint, inwieweit es neben den geschriebenen Regeln auch implizite zwingende Gebote gibt, die sich aus allgemeinen Grundsätzen ableiten lassen (z.B. die Vereinsautonomie, wonach die Mitgliederversammlung die Zuständigkeit für besonders wichtige Fragen nicht unwiderruflich auf ein anderes Organ delegieren darf).

Ferner gibt es in manchen Ländern neben diesen rudimentären allgemeinen Regeln spezielle zwingende Regelungen für besondere Vereinstypen (z.B. für Großvereine, Profifußballvereine).

4. Vereinheitlichungsprojekte

Vereinheitlichungsprojekte im Vereinsrecht sind nicht bekannt.

Derzeit gibt es nicht einmal mehr Bestrebungen, einen „Europäischen Verein“ als supranationale Rechtsform zu etablieren. Eine entsprechende Initiative der Europäischen Kommission mündete zwar 1992 in einem Entwurf für ein Statut eines Europäischen Vereins, der insbesondere für Interessenverbände und sozialunternehmerische Tätigkeiten konzipiert war. Dieser Vorschlag erhielt jedoch nicht die notwendige Unterstützung in allen Mitgliedstaaten und wurde, nach einer letzten vergeblichen Initiative, von der Europäischen Kommission aufgegeben, nachdem die Volksabstimmungen zur Einführung einer Europäischen Verfassung in den Niederlanden und in Frankreich gescheitert waren.

Literatur

Piero Verrucoli, Non-Profit Organizations: A Comparative Approach, 1985; Christian Weisbrod, Europäisches Vereinsrecht, 1994; Elie Alfandari, Amaury Nardone, Associations et fondations en Europe, 1994; Council of Europe (Hg.), Associations and Foundations, 1998; Jens Wagner, Der Europäische Verein, 2000; Carl Hemström, Associations 2002; Thomas von Hippel, Grundprobleme der Nonprofit-Organisationen, 2007.

Abgerufen von Verein – HWB-EuP 2009 am 23. November 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

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