Betriebsrenten und Betriebsvereinbarung: Unterschied zwischen den Seiten

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von ''[[Markus Roth]]''
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== 1. Praktische Bedeutung der betrieblichen Altersvorsorge ==
== 1. Gegenstand und Zweck ==
Die praktische Bedeutung der betrieblichen Altersvorsorge wird aufgrund des demographischen Wandels und der dadurch mit verursachten Krise der staatlichen Rentensysteme in Zukunft weiter zunehmen. Dies gilt insbesondere für diejenigen kontinentaleuropäischen Länder, in denen, wie etwa in Deutschland, die betriebliche Vorsorge erst schwach entwickelt ist. In Europa und darüber hinaus weltweit bestehen hinsichtlich der Bedeutung der privaten Vorsorge starke Unterschiede. Diese beruhen nicht zuletzt auf einer teilweise sehr großen Bedeutung staatlicher Alterssicherungssysteme wie der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Teilweise beruhen beobachtete Unterschiede auch auf differierenden Definitionen betrieblicher Vorsorge im Gesamtsystem der Alterssicherung. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Zahlen verschiedener Organisationen.  
Der Begriff Betriebsvereinbarung ist lediglich im deutschsprachigen Raum fest verankert. In den übrigen europäischen Ländern gibt es zwar Rechtsinstitute, die ähnliche Zielsetzungen und Aufgaben wahrnehmen, doch sind diese vom Institut der „Betriebsvereinbarung“ abzugrenzen. Die „Betriebsvereinbarung“ ist ein zentraler Baustein der sogenannten „Betriebsverfassung“. Begriff, Funktion und Ziel der Betriebsvereinbarung sind daher nur unter Berücksichtigung der Grundlagen der Betriebsverfassung verständlich. Die Betriebsverfassung hat den im Betrieb, Unternehmen oder Konzern bestehenden Interessengegensatz von Kapital und Arbeit in vertrauensvoller Zusammenarbeit auszugleichen (§ 2 Abs. 1 BetrVG; § 39 Abs. 1 österreich. ArbVG, der wie folgt lautet: „Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes“). Der genannte Interessenausgleich erfolgt in aller Regel durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen.


Nach Zahlen der OECD entsprach das von den Pensionsfonds in den OECD-Ländern im Jahre 2007 (2005) verwaltete Vermögen durchschnittlich 75,3 % (86,7 %) des Bruttosozialprodukts. Übertroffen wurde dieser Durchschnitt von Island (134,0 % bzw. 123,2 %) den Niederlanden (132,2 % bzw. 124,9 %), der Schweiz (119,4 % bzw. 117,4 %) sowie jedenfalls in einem der Erhebungszeiträume im Vereinigten Königreich (86,1 % bzw. 70,1 %) und den Vereinigten Staaten von Amerika (74,3 % bzw. 98,9 %). Deutschland kommt nach der OECD auf lediglich 4,1 % (3,9 %), nach der Statistik der Arbeitsgemeinschaft betrieblicher Altersversorgung, die auch die rückstellungsbasierten Versorgungszusagen mit einbezieht, auf immerhin 16 % des Bruttosozialprodukts (2004), nach Zahlen von ''Watson Wyatt Worldwide'' (2008)auf 10%.  
Die Betriebsvereinbarung selbst ist ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen ihrer Zuständigkeit geschlossener Vertrag über betriebliche Angelegenheiten. Die Betriebsvereinbarung ist gemeinsam von Arbeitgeber und Betriebsrat zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Zum Zwecke der Kundmachung hat der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.


Aufgrund der Finanzmarktkrise ist das von Pensionsfonds und anderen Trägern der betrieblichen Vorsorge verwaltete Vermögen zum Teil deutlich zurückgegangen. Nach ''Watson Wyatt Worldwide'' betrugen die zur Bedeckung von Betriebsrenten gehaltenen Vermögenswerte in den 11 wichtigsten Märkten (USA, Japan, das Vereinigte Königreich, Kanada, die Niederlande, Australien, die Schweiz, Deutschland, Frankreich, und Hong Kong) Ende 2007 noch 82 % des Bruttosozialproduktes, bis Ende 2008 war dieser Wert auf 61 % des Bruttosozialproduktes gesunken.  
Die Betriebsvereinbarung darf nicht jedwede Angelegenheit regeln. Das Gesetz umschreibt nämlich die Angelegenheiten, die Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Das österreichische Recht nennt ausdrücklich jene Bereiche und Angelegenheiten, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist (§§ 96, 96a, 97 ArbVG; darunter die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer, sofern diese Maßnahmen die Menschenwürde berühren; oder allgemeine Ordnungsvorschriften; nicht jedoch Regelungen, die das laufende Entgelt betreffen).


== 2. Formen betrieblicher Altersvorsorge ==
Nach deutschem Recht können hingegen Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Das bedeutet, dass der Tarifvertrag der Betriebsvereinbarung vorgeht. Damit ist auch klargestellt, dass die betriebliche Regelungsebene von der außerbetrieblichen Regelungsebene zu unterscheiden ist, wobei die Betriebsvereinbarungsparteien die Vorgaben der zuständigen Tarifverträge zu beachten haben.
Bei der privaten Vorsorge kann generell zwischen ''reinen Leistungszusagen'' (''defined benefit''), ''reinen Beitragszusagen'' (''defined contribution'') und ''Mischformen'' (''hybrid pensions'') unterschieden werden. Vorab fest vereinbarte Leistungen (''defined benefit'') finden sich vor allem in Form von Betriebsrenten und Leibrentenversprechen. Auf das Ergebnis der Vermögensverwaltung (''defined contribution'') verwiesen ist der Anleger insbesondere bei der Vermögens- und Fondsverwaltung und international bei Betriebsrenten ohne Garantiezusage des Arbeitgebers. Häufig werden nur Teile der erwarteten späteren Rente garantiert. Bei deutschen Kapitallebensversicherungen, aber auch bei Betriebsrentenzusagen über Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds ist von einer Mischform (''hybrid pensions'') auszugehen. Das deutsche Betriebsrentengesetz erkennt, anders als international üblich, eine reine Betragszusage bislang nicht an. Seit den 1970er Jahren wird die Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge auf nationaler Ebene in besonderen Gesetzen geregelt. So bestehen etwa in Deutschland nach dem Betriebsrentengesetz mit der Direktzusage, der Unterstützungskasse, der Direktversicherung, der Pensionskasse und neuerdings auch dem Pensionsfonds fünf Durchführungswege.


== 3. Europäische Regelungen und Regelungsvorschläge ==
Die Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend und ist insoweit dem Tarifvertrag ähnlich. Unmittelbare Wirkung einer Betriebsvereinbarung bedeutet, dass diese wie ein Gesetz von außen auf das Arbeitsverhältnis einwirkt. Den Regelungen der Betriebsvereinbarung kommt daher normative Wirkung zu. Zwingende Wirkung besagt, dass die Betriebsvereinbarung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht abbedungen werden darf (Günstigkeitsprinzip). Die Betriebsvereinbarung selbst kann, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden. Nach deutschem Recht kann nur für Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung eine Nachwirkung greifen. Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, die lediglich der freiwilligen Mitbestimmung unterliegen, wirken nicht nach. Im österreichischen Recht ist es im Wesentlichen umgekehrt.
Als europäische Regelung betrieblicher Vorsorge zu nennen ist die Pensionsfonds-RL (RL 2003/41) die an anderer Stelle ausführlich dargestellt wird ([[Pensionsfonds]]). Spezielle Regelungen treffen die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche (RL 98/49) sowie die Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (RL 80/987). Die Richtlinie zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche dient dem Schutz der Betriebsrentenansprüche bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Europäischen Union. Die Richtlinie zum Schutz der Arbeitnehmer vor Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sieht die Einrichtung einer Garantieeinrichtung zum Schutz der Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vor. Damit ist keine vollständige Garantie der Betriebsrentenansprüche gefordert, die Mitgliedstaaten können die Zahlungen der Garantieeinrichtung beschränken. Zwingend ist nur ein in der Richtlinie näher geregeltes Mindestniveau. Eine umfassendere Regelung der betrieblichen Vorsorge wurde unter dem Stichwort der Portabilitäts-RL diskutiert, die derzeit allerdings nicht mehr weiterverfolgt wird.


Mit der Portabilitäts-RL angesprochen ist der ursprünglich als Vorschlag für eine Richtlinie des [[Europäisches Parlament|Europäischen Parlament]]s und des Rates ([[Rat und Europäischer Rat]]) bezeichnete Entwurf der Kommission zur Verbesserung der Portabilität von Zusatzrentenansprüchen. Der Entwurf der Portabilitäts-RL ist bislang insbesondere an deutschem Widerstand gescheitert. Er wurde von der [[Europäische Kommission|Europäischen Kommission]] zunächst als Richtlinie über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern durch Verbesserung der Begründung und Wahrung von Zusatzrentenansprüchen in modifizierter Form weiterverfolgt. Aus dem Vorschlag herausgenommen wurde die Regelung der Übertragbarkeit von Betriebsrentenansprüchen (Portabilität). Neben dem erwähnten Entwurf bestehen Vorarbeiten interessierter Parteien zum Thema paneuropäischer Pensionspläne, so dass es unter der neuen Kommission zu einer Wiederaufnahme des Vorhabens kommen könnte.  
Nach deutschem Recht hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in bestimmten Angelegenheiten mitzubestimmen (etwa Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen: § 87 Abs. 1 BetrVG). Kommt eine Einigung über eine dieser Angelegenheiten nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Dieses Institut hat Schlichtungsfunktionen und in bestimmten Fallkonstellationen – auch Entscheidungsfunktionen wahrzunehmen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Im Ergebnis bedeutet das, dass der Betriebsrat eine entsprechende Regelung erzwingen kann. Etwas anderes gilt für die freiwillige Betriebsvereinbarung. Eine solche kann nicht erzwungen werden, sondern ist nur dann abschließbar, wenn beide Parteien einen entsprechenden Abschluss vereinbaren (§ 88 BetrVG nennt betriebliche Maßnahmen, die Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein können, was aber nicht bedeutet, dass keine andere Angelegenheit durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden kann).


== 4. Externe Bedeckung mit Vermögenswerten  ==
In der betrieblichen Praxis gibt es immer wieder sogenannte „Regelungsabreden“. Die Regelungsabrede ist ein formloser Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der lediglich die Parteien gegeneinander berechtigt und verpflichtet. Die Regelungsabrede entfaltet sohin keine normative Wirkung. Ähnliches gilt in Österreich in Bezug auf die sogenannte „freie Betriebsvereinbarung“, also eine Betriebsvereinbarung, die Angelegenheiten regelt, deren Regelung weder durch Gesetz noch durch Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten sind. Solche Betriebsvereinbarungen sind zwar nichtig, können jedoch schuldrechtliche Wirkungen entfalten.
International werden in den angloamerikanischen Ländern die Rentenansprüche der Mitarbeiter durch gesonderte Vermögenswerte gesichert und von Treuhändern gehalten ([[Trust und Treuhand|''Trust'' und Treuhand]]). Sowohl das englische als auch das US-amerikanische Recht sehen vor, dass das die Rentenansprüche besichernde Vermögen als ''trust'' gehalten wird, geregelt ist dies in den USA im Betriebsrentenrecht, in England jedenfalls im Steuerrecht. Entsprechend der internationalen Praxis sehen die OECD ''Guidelines on Funding and Benefit Security in Occupational Pension Plans'' eine Bedeckung von Betriebsrentenplänen mit gesonderten Vermögenswerten vor, ohne allerdings lediglich rückstellungsgedeckte Betriebsrentenzusagen auszuschließen. Blickt man auf das ''trust''-Recht als Grundlage dieses Konzepts betrieblicher Vorsorge, so fällt auf, dass auch die Niederlande und die Schweiz als Länder mit ausgeprägter betrieblicher Vorsorge und einer zwingenden Belegung der Betriebsrentenansprüche mit aus dem Unternehmen ausgelagerten Vermögenswerten die Haager ''Trust''-Übereinkommen gezeichnet haben.


Mit der Bedeutung nur rückstellungsgedeckter Betriebsrentenzusagen nimmt Deutschland aber auch im (kontinental‑)europäischen Vergleich eine Sonderstellung ein. Dies gilt insbesondere im Vergleich zu Ländern mit großer Bedeutung der Betriebsrenten im System der Alterssicherung. In den Niederlanden wird argumentiert, dass die Pensionsfonds auf Grundlage der Grundsätze der ''fiducia cum amico'', der uneigennützigen Treuhand, und damit des kontinentaleuropäischen Pendants des ''trust'', agieren. In der Schweiz ist eine Bedeckung mit gesondertem Vermögen obligatorisch. Eine Bildung nur von Rückstellungen kennen in Europa auch Österreich, Italien, Spanien und Schweden, sie spielt dort aber eine deutlich geringere Rolle. Nach den Zahlen der ''European Federation for Retirement Provision'' betragen die lediglich durch Rückstellungen gedeckten Betriebsrentenzusagen in Europa im Jahre 2006 insgesamt EUR 313.9 Mrd., davon entfallen über 87 % oder EUR 273.47 Mrd. auf Deutschland.
== 2. Tendenzen der Rechtsentwicklung  ==
Die Betriebsvereinbarung als Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber war vom deutschen Betriebsrätegesetz 1920 noch nicht vorgesehen. Gleichwohl wurden die in diesem Gesetz geregelten Vereinbarungsvarianten einige Jahre später als Betriebsvereinbarung (bzw. Arbeitsordnung) bezeichnet. Nach überwiegender Meinung wurde diese als Inhalt des Arbeitsvertrages qualifiziert. Auf Grund des „Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934“ (ab 1938 auch in Österreich in Geltung) war der Arbeitgeber für den Erlass der Betriebsordnung zuständig. Das kurz nach Kriegsende erlassene Kontrollratsgesetz Nr. 22 (1946) hat die Betriebsvereinbarung als Institut wieder eingeführt, wobei wieder Betriebsräte gewählt werden konnten. Rechtseinheit in Deutschland wurde erst durch das BetrVG 1952 hergestellt. Seitdem gelten die Bestimmungen des BetrVG 1972, nunmehr in der Fassung vom 25.9.2001 (insbesondere § 77 Abs. 1-6). Eine ähnliche Entwicklung ist für Österreich festzustellen. Die Rechtsinstitute der Betriebsvereinbarung und der Arbeitsordnung wurden im Jahre 1947 gesetzlich neu geregelt und schließlich in das im Jahre 1973 erlassene ArbVG eingebunden (§§ 32 ff.). Derzeit ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich keine größere Reform oder Neuregelung der Betriebsvereinbarung in Sicht. Inwieweit Gemeinschaftsrecht zu einer Umgestaltung der Betriebsvereinbarung nach deutschem und österreichischem Recht notwendig werden wird, ist noch völlig offen.


Als praktischer Innovationsmotor des deutschen Betriebsrentenrechts hat sich nunmehr die Bilanzierung der Betriebsrentenansprüche nach internationalen Rechnungslegungsstandards und insbesondere IAS/IFRS erwiesen. Für den Konzernabschluss ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Abschluss nach IAS/IFRS auch für deutsche Unternehmen obligatorisch. Insbesondere um eine besseres Rating zu erhalten, unterlegen die deutschen Unternehmen die Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer zunehmend mit Vermögenswerten (''asset funding''). Eine Befragung von Unternehmehmensleitern hat ergeben, dass dem Rating eine höhere Bedeutung für die Kapitalstruktur des Unternehmens begemessen wird, als der Einflussnahme von Aktionären. Bei den DAX 30-Unternehmen sind so mittlerweile etwa zwei Drittel der Verbindlichkeiten gesondert mit Vermögen belegt. Ein solches ''asset funding'' erlaubt es jedenfalls praktisch, die Verbindlichkeiten nicht gesondert in der Bilanz als Fremdkapital aufzuführen und so eine höhere Rendite auf das verbleibende Kapital auszuweisen. Der Ausweis der Pensionsverbindlichkeiten war bei einer Bilanzierung nach Handelsgesetzbuch zuletzt auch von der Rechtsprechung als verpflichtend angesehen worden, ohne dass aber die Möglichkeit bestand, die Bilanz durch eine Vermögensunterlegung dieser Verbindlichkeiten zu „verkürzen“. Praktisch erfolgt eine solche Bilanzverkürzung nach IAS/ IFRS, indem mit Vermögen unterlegte Pensionsverbindlichkeiten nicht mehr bilanziert werden müssen. Das 2009 vom Bundestag verabschiedete Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz sieht as nunmehr auch für die Bilanzierung nach Handelsgesetzbuch vor. Abzustellen ist nach dem Handelsgesetzbuch in der Neufassung der entsprechenden Bilanzierungsvorschriften durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz auf einen durchschnittlichen Marktzinssatz bei einer angenommenen Laufzeit von 15 Jahren.
Weniger verrechtlicht sind die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber (Unternehmen) einerseits und Arbeitnehmerrepräsentanten bzw. Gewerkschaftsbeauftragten andererseits in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere in Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien.


== 5. Einbeziehung, Verfallbarkeit und Übertragbarkeit (Portabilität) ==
In diesen Staaten gibt es kein der Betriebsvereinbarung nach deutschem bzw. österreichischem Recht vergleichbares Rechtsinstitut. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich in den genannten Staaten Verhandlungsstrukturen auf betrieblicher Ebene herausgebildet haben, die gesetzlich nur ungenügend oder überhaupt nicht geregelt wurden. Das wirft viele Fragen und Probleme auf, die wohl auch in naher Zukunft nicht gelöst werden. Zumeist werden Absprachen getroffen oder/und schriftliche Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen (häufig unter Beteiligung von Gewerkschaftsbeauftragten) abgeschlossen.
International werden die Einbeziehung in Betriebsrentensystem sowie die Verfallbarkeit und die Übertragbarkeit von Ansprüchen uneinheitlich gehandhabt. Eine Verpflichtung zur Einbeziehung in ein System betrieblicher Altersvorsorge besteht in Europa etwa in der Schweiz, eine sehr hohe Beteiligung weisen auch die Niederlande auf. Die automatische Einbeziehung in Betriebsrentensysteme (''automatic enrollment'') führt nach modernen verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnissen einer stark ansteigenden Beteiligung der Arbeitnehmer an der betrieblichen Altersvorsorge. Für Deutschland wurde ein ''automatic enrollment'' vom 64. Deutschen Juristentag in Bonn, Abteilung Altersvorsorge, vorgeschlagen. Auf Grundlage des Berichts der ''Pensions Commission'' befindet sich in England eine entsprechende gesetzliche Regelung im Gesetzgebungsverfahren.


Als Verfallbarkeit bezeichnet wird der Verlust der Betriebsrentenansprüche der Arbeitnehmer insbesondere bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Das deutsche Betriebsrentengesetz erklärt Betriebsrentenansprüche nach fünf Jahren für unverfallbar. In England sieht der ''Pension Schemes Act'' ''1993'' vor, dass ein Plan die Unverfallbarkeit von Ansprüchen spätestens nach zwei Jahren vorsehen muss. Die Höchstfrist von zwei Jahren muss nicht in einer Periode, sie kann in mehreren Perioden erfüllt werden. In der Schweiz und in den Niederlanden sind die Betriebsrentenzusagen sofort unverfallbar, was in der Schweiz sicher auch am Charakter der betrieblichen Vorsorge als Pflichtversicherung liegt. Differenzierte Regelungen kennen Österreich hinsichtlich des Durchführungswegs und die USA mit der Unterscheidung zwischen ''defined benefit'' und ''defined contribution'' sowie einem Wahlrecht des Arbeitgebers zwischen einer stufenweisen Unverfallbarkeit über einen längeren beziehungsweise einer vollumfänglichen Unverfallbarkeit zu einem einheitlichen Zeitpunkt.  
Im französischen Recht ist eine Betriebsvereinbarung nach deutschem Muster nicht vorgesehen. Allenfalls kann man die ''Convention d’Entreprise'' oder ''d’Etablissement'' (also den Firmenkollektivvertrag) als funktionales Äquivalent der Betriebsvereinbarung qualifizieren, sofern diese zwischen Arbeitgeber und dem Gewerkschaftsbeauftragten (''Délégué Syndical'') der repräsentativen Gewerkschaften abgeschlossen werden. Dagegen ist der ''Comité d’Entreprise'', also der Betriebsrat, kein funktionales Äquivalent, da in ihm lediglich Mitwirkung in Form von Beratung und Verwaltung der sozialen und kulturellen Tätigkeiten erfolgt. Hingegen anerkennt das im Jahre 2004 verabschiedete „Gesetz über den sozialen Dialog“ die gewerkschaftsfreie Betriebsvereinbarung. Danach können – bei Fehlen eines gewerkschaftlichen Partners – auch Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung (''Accord d’Entreprise'') schließen, die von den übergeordneten Tarifnormen auch nach unten abweichen können. Voraussetzung ist aber, dass ein übergeordneter allgemeinverbindlicher Flächentarif (''Convention Collective'') die Vereinbarung zulässt. Der übergeordnete Tarifvertrag gibt auch die Themen der Vereinbarung vor, Grenzen sind dieser Freigabe nicht gesetzt.


Die Europäische Kommission wollte wohl in Anlehnung an die englische Regelung im ''Pension Schemes Act'' ''1993'' die Frist für die Unverfallbarkeit europaweit auf zwei Jahre vereinheitlichen, ein für den Erwerb von Rentenansprüchen festgelegtes Mindestalter sollte 21 Jahre nicht übersteigen dürfen. Konkret sah der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Portabilität von Zusatzrentenansprüchen (Portabilitäts-RL, KOM (2005) 507 endg.) eine abgestufte Regelung vor. Nach einer Beschäftigungsdauer von einem Jahr oder gegebenenfalls spätestens bei Erreichen des vorgeschriebenen Mindestalters von höchstens 21 Jahren sollzen die Arbeitnehmer Mitglied eines Zusatzrentensystems werden können. Nach einer Mitgliedschaft von maximal zwei Jahren sollten die Arbeitnehmer dann eine Rentenanwartschaft erwerben. Eine mit steigender Betriebszugehörigkeit steigende, gestaffelte Unverfallbarkeit nach US-amerikanischem Vorbild ist mit dem Entwurf der Portabilitäts-RL unvereinbar. Der geänderte Vorschlag einer Richtlinie über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern durch Verbesserung der Begründung und Wahrung von Zusatzrentenansprüchen (Zusatzrenten-RL, KOM(2007) 603 endg.) sieht nunmehr ein Mindestalter von 21 Jahren vor, Unverfallbarkeit soll grundsätzlich nach einem Jahr eintreten, bis zum 25. Lebensjahr beträgt diese Frist fünf Jahre. Eine weitere Verkürzung der Verfallfristen wird vom Europäischen Parlament vorgesehen; die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
In Italien fehlt ebenfalls eine gesetzliche Reglementierung von Verträgen zwischen dem Arbeitgeber und den Belegschaftsvertretern (bzw. Gewerkschaftsvertrauensleuten). Wie Verhandlungen auf betrieblicher Ebene geführt werden und wer als Verhandlungspartner auf dieser Ebene dem Arbeitgeber gegenübertritt, ist demnach offen. Allerdings wurde im Jahre 1991 (mit einer Aktualisierung 1993) das sogenannte „Interkonföderale Übereinkommen über die Errichtung und Funktionsweise der einheitlichen betrieblichen Gewerkschaftsvertretungen“'' ''getroffen'' ''(''accordo interconfederale in materia di rappresentanze sindacali unitarie = ''RSU)''.'' Die nach dem genannten Übereinkommen errichteten RSU bestehen zu zwei Dritteln aus gewählten Repräsentanten der Belegschaft und zu einem Drittel aus Vertretern der Gewerkschaft. In der Regel wird der RSU vom übergeordneten Tarifvertrag die Kompetenz übertragen, über einzelne Agenden mit dem Arbeitgeber sogenannte ''contratti collettivi aziendali'' (also Firmenkollektivverträge) abzuschließen. In der betrieblichen Praxis wird bzw. werden aber im Rahmen von betrieblichen Verhandlungen zumeist der RSU ein oder mehrere Gewerkschaftsvertreter zugeordnet. In dem „Interkonföderalen Übereinkommen vom 23.7.1993 über die Einkommens- und Beschäftigungspolitik“ werden nämlich die einheitlichen betrieblichen Gewerkschaftsvertretungen (i.d.R. zusammen mit den örtlichen Organen der Gewerkschaften, die den nationalen Tarifvertrag unterzeichnet haben) als legitimer Verhandlungspartner der Arbeitnehmerseite im Rahmen der Verhandlungen und des Abschlusses von Firmentarifverträgen bezeichnet. Das hat zur Folge, dass Ausgestaltung und Umfang der Betriebsautonomie in Italien von den großen Gewerkschaften (Gewerkschaftsbünden) festgelegt werden. Insbesondere haben die drei großen Gewerkschaftsbünde im genannten Interkonföderalen Übereinkommen aus 1993 eine Teilung der Kompetenzen zwischen dem Branchenkollektivvertrag und dem Firmenkollektivvertrag vereinbart''.'' Danach dürfen die Firmentarifverträge nicht jene entgeltbezogenen Angelegenheiten neu oder anders regeln, die im nationalen Branchenkollektivvertrag bereits normiert wurden, wobei die Festlegung leistungsbezogener Zusatzentgelte im Ermessen der Betriebsparteien steht. Im Einzelfall sind auch Abweichungen vom Branchentarifvertrag aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes möglich.


Hinsichtlich einer Übertragung von Betriebsrentenverträgen sind national und international verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Zu fragen ist zunächst danach, ob eine Vertragsposition überhaupt übertragbar ist. Neben einem Recht des Arbeitnehmers auf Mitnahme seines Altersvorsorgevermögens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nennen sind Übertragungen und die Beendigung von Verträgen durch den Arbeitgeber, schließlich Wahlmöglichkeiten des Arbeitnehmers bei reinen Beitragszusagen. In der Schweiz ist die Portabilität von Betriebsrenten im Freizügigkeitsgesetz geregelt. Unterschiedliche Praktiken zum Übergang von Pensionsverpflichtungen finden sich etwa in England, es wird dort insbesondere zwischen ''share''- und ''asset deals'' unterschieden.  
Allerdings sind viele Fragen noch offen; so etwa die Frage, inwieweit dem Firmentarifvertrag eine ''erga omnes''-Wirkung zukommt; oder die Frage der Zulässigkeit der Adaptierung zwingender Tarifnormen an die Besonderheiten eines einzelnen Betriebes. Es nimmt daher nicht wunder, dass die rechtlich nicht bindenden Regelungen des Interkonföderalen Übereinkommens vom 23.7.1993 einer breiten Kritik ausgesetzt sind. Erhebliche Teile der Rechtslehre fordern deshalb eine Neuausrichtung der betrieblichen Verhandlungs- und Vertragsebene. Insbesondere wird die unmittelbare und zwingende, sowie die ''erga omnes''-Wirkung der Firmenkollektivverträge gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern eingemahnt, sowie eine Ausweitung der Angelegenheiten, die durch Firmenkollektivvertrag geregelt werden können, gefordert.


== 6. Anpassung von Betriebsrenten  ==
Komplizierter als das italienische Betriebsverfassungsrecht ist das ''spanische'', insbesondere was Vereinbarungen und Absprachen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite auf betrieblicher Ebene anbelangt. So werden unter den Begriff ''Convenio Colectivo'' verschiedene Varianten des Kollektivvertrages subsumiert (etwa der Tarifvertrag, der Firmentarifvertrag oder auch Haustarifvertrag und die Betriebsvereinbarung); es gibt also keine grundlegende Unterscheidung zwischen Firmenkollektivvertrag und Betriebsvereinbarung. Der ''Convenio Colectivo'' kann auch nebeneinander vom Betriebsrat bzw. den Belegschaftsvertretern und der Gewerkschaftsabteilung im Betrieb abgeschlossen werden. Eine gesetzliche Regelung des ''acuerdo de empresa'' (Betriebsvereinbarung) ist freilich unterblieben; man greift daher auf das allgemeine Vertragsrecht zurück und sucht die Lösung in der analogen Anwendung der einen oder anderen Bestimmung zum ''Convenio Colectivo''.
Die Frage von Anpassungen der Betriebsrenten stellt sich nach dem Ausscheiden und in der Auszahlungsphase. In England darf nach dem ''Pension Schemes Act 1993'' kein Berechtigter schlechter behandelt werden, weil er vorzeitig aus einem Pensionsplan ausscheidet. Dabei wird zwischen dem sogenannten ''long service benefit'' auf Grundlage eines Verbleibens im Pensionsplan auf derselben Position bis zum Renteneintritt und einem so genannten ''short service benefit'' bei vorzeitigem Ausscheiden unterschieden. Auch kurzzeitig Beschäftigte müssen an Erhöhungen der Rentenzahlungen teilhaben. Eine Indexierung wird nun auf europäischer Ebene vorgeschlagen. Der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Portabilität von Zusatzrentenansprüchen vom 20.10.2005 sieht wohl in Anlehnung an die englische Regelung im ''Pension Schemes Act 1993'' vor, dass die Mitgliedstaaten die Maßnahmen ergreifen, die ihnen notwendig erscheinen, um eine faire Anpassung der ruhenden Rentensysteme sicherzustellen und damit zu gewährleisten, dass ausscheidende Arbeitnehmer nicht benachteiligt werden. Nach den Erwägungsgründen könnte dies durch eine Anpassung ruhender Ansprüche in Abhängigkeit von der Entwicklung verschiedener Referenzgrößen, darunter der Inflationsrate, dem Lohnniveau, der aktuellen Rentenleistungen und der vom Zusatzversorgungsträger erzielten Kapitalrendite geschehen. Der geänderte Vorschlag der Kommission sieht nunmehr einen Gleichlauf mit den Ansprüchen aktiver Arbeitnehmer oder von Rentenempfängern vor und nennt dafür verschiedene Regelungsmodelle


International ist die Rechtslage hinsichtlich von Anpassungspflichten uneinheitlich, in den USA besteht keine Pflicht zur Anpassung der Betriebsrenten. In den 1990er Jahren sollen nur 10 % der traditionellen ''defined benefit''-Pläne mittlerer und großer US-amerikanischer Unternehmen eine Anpassung an gestiegene Lebenshaltungskosten vorgesehen haben. Demgegenüber sehen die europäischen Betriebsrentenvorschriften eine Anpassung vor. Die Regelung im englischen ''Pensions Schemes Act'' ''1993'' wurde bereits erwähnt. In der Schweiz folgt aus der Mindestverzinsung der betrieblichen Altersvorsorge mittelbar auch eine Anpassung der Betriebsrenten. In Deutschland sind dem Betriebsrentengesetz unterfallende Leistungszusagen in der Auszahlungsphase grundsätzlich unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen anzupassen. Sonderregeln gelten für ertragsabhängig gestaltete Leistungszusagen insbesondere über Versicherungen und Pensionsfonds. Für in jüngster Zeit gegebene Zusagen kann auch eine pauschale Erhöhung von jährlich einem Prozent vorgesehen werden. Dies erleichtert für die Unternehmen die Berechenbarkeit der Rentenlast, überträgt aber das Inflationsrisiko weitgehend auf den Arbeitnehmer. Bei einem vorzeitigen Ausscheiden sieht das deutsche Betriebsrentenrecht bis zum Bezug der Betriebsrente keine Anpassungen vor.
In ''Großbritannien'' wird man im Allgemeinen davon auszugehen haben, dass eine britische „Betriebsvereinbarung“ eine Vereinbarung ist, die zwischen dem Arbeitgeber einerseits und dem ''shop steward'', der für seine Gewerkschaft handelt, andererseits abgeschlossen wird (''collective agreement''). In Bezug auf Fragen der Arbeitszeit ist auch das ''workforce agreement'' von Relevanz (dazu die ''Working Time Regulation'' ''1999'', Schedule 1)
 
Das ''collective agreement'' gilt, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich vereinbart wird, zwischen den Vertragspartnern ''nicht'' als Vertrag im üblichen Sinn, es hat nämlich keine bindende Wirkung. Der Inhalt des Vertrages wird dagegen Teil des Arbeitsvertrages (also ''incorporated''), kraft vermuteter Übernahme. Gegenstand der Übernahme sind die in Abkommen enthaltenen Arbeitsbedingungen. Die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag hat den Vorteil, dass der Anspruch erhalten bleibt, wenn der Arbeitgeber der Gewerkschaft die Anerkennung entzieht; allerdings mit dem Nachteil, dass die Parteien des Arbeitsvertrages auf Grund der „Vertragsfreiheit“ nicht gehindert sind, schlechtere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren.
 
Wie diese Kurzübersicht zum Recht der Betriebsvereinbarung in wichtigen Mitgliedstaaten verdeutlicht, sind folgende Fragen nach wie vor nicht gelöst bzw. umstritten:
 
Besonders problembehaftet ist das Verhältnis zwischen der überbetrieblichen Regelungsebene einerseits und der betrieblichen Regelungsebene andererseits. Das gilt etwa in Bezug auf die Sperrklausel des § 77 Abs. 3 BetrVG; auf die Begrenzung der Regelungsmacht der Betriebsparteien durch das Gesetz in Österreich; auf die nach wie vor bestehenden Unklarheiten in Bezug auf den Umfang der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien gegenüber den Vorgaben der Tarifparteien in Italien. Nicht zuletzt wird aus rechtspolitischer Sicht von verschiedener Seite eine stärkere, vom Flächentarifvertrag nicht zu stark eingeschränkte Regelungsautonomie der Betriebsparteien gefordert: Letztere kennen die wirtschaftliche Situation des Betriebes (Unternehmens), die Wünsche und die Kritik der Belegschaft besser als die abgehobenen „Gewerkschaftsführer“. Diesen Bedürfnissen sollen die in Deutschland und Österreich (teilweise) etablierten Öffnungsklauseln nachkommen. Diese haben jedoch nicht jene Ziele erreicht, die mit deren Einführung erwartet wurden; sie sind daher kein Königsweg zur Entschärfung der Konflikte zwischen Regelungsebenen bzw. zwischen den Branchen- bzw. Flächentarifverträgen einerseits und der Betriebsvereinbarung andererseits.
 
Bleibt die Frage, ob der Erweiterung der Betriebsautonomie durch Gesetz der Arbeitnehmerschutz-Gedanke entgegensteht, zumal etwa in Deutschland und in Österreich von Seiten der Betriebsräte Streiks zur Durchsetzung weiterer Regelungskompetenzen nicht erlaubt sind. Von der außerbetrieblichen Gewerkschaft dürften sich ohnehin viele Arbeitnehmer mehr erwarten als vom Abschluss von Betriebsvereinbarungen.
 
Vereinheitlichungsprojekte hinsichtlich des Rechtsinstituts der Betriebsvereinbarung sind nach alledem auf Gemeinschaftsebene nicht auszumachen. Die jeweiligen nationalen Betriebsverfassungen hüten eifersüchtig ihr eigenes System und tendieren nicht in Richtung einer Vereinheitlichung. Auch die viel gepriesene offene Methode der Koordinierung dürfte zumindest hinsichtlich der hier thematisierten Materie keine Vereinheitlichung befördern.
 
== 3. Vereinheitlichungsprojekte ==
Das Gemeinschaftsrecht hat sich bisher mit dem Themenbereich betrieblicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber/Unternehmen und Arbeitnehmer bzw. Gewerkschaftsrepräsentanten nicht befasst. Allenfalls kann man die RL 2002/14 vom 11.3.2002 als einen ersten Ansatz zum Ausbau einer gemeinschaftsrechtlichen Betriebsverfassung qualifizieren. Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung eines allgemeinen Rahmens mit Mindestvorschriften für das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretungen von in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen und Betrieben. Die Unterrichtung und Anhörung soll im Geiste der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer-Vertretungen und Arbeitgeber erfolgen''.''
 
Unter Unterrichtung ist gemäß der Richtlinie „die Übermittlung von Informationen“ durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer-Vertreter zu verstehen. Diese Informationen sollen den Vertretern Gelegenheit zur Kenntnisnahme und Prüfung der behandelten Fragen geben. Anhörung bedeutet der Richtlinie zufolge „die Durchführung eines Meinungsaustausches und eines Dialoges zwischen Arbeitnehmer-Vertretern und dem Arbeitgeber“.
 
Die Unterrichtung betrifft die wirtschaftliche Situation des Unternehmens oder des Betriebes; Unterrichtung und Anhörung beziehen sich auf die Beschäftigungssituation und wahrscheinliche Beschäftigungsentwicklung sowie Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können.
 
Die Unterrichtung und die Anhörung haben so zu erfolgen, dass die Arbeitnehmervertreter die Inhalte prüfen und hierzu noch rechtzeitig Stellung nehmen können.
 
Regelungen, die Betriebsvereinbarungen betreffen (könnten), sind dieser Richtlinie nicht zu entnehmen. Fazit ist daher, dass es im europäischen Recht keine Vorschriften zur Vereinheitlichung der in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestalteten (normativ wirkenden) Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen bzw. Gewerkschaftsvertretungen gibt. Nur bedingt kann man die schriftliche Vereinbarung zwischen den besonderen Verhandlungsgremien und der Unternehmens(Konzern)leitung zur Errichtung eines [[Europäischer Betriebsrat|Europäischen Betriebsrat]]es als eine Betriebsvereinbarung qualifizieren. Die genannte Vereinbarung regelt ja nur wie der Europäische Betriebsrat ausgestaltet sein soll und welche Funktionen er ausüben soll.  


==Literatur==
==Literatur==
''Heinz-Dietrich Steinmeyer'', Betriebliche Altersversorgung und Arbeitsverhältnis, 1991; ''Werner Nussbaum'', Das System der beruflichen Vorsorge in den USA im Vergleich zum schweizerischen Recht, 1999; ''Claudia Bittner'', Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht, 2000; ''René Maatman'','' ''Dutch Pension Funds, Fiduciary duties and investing, 2004; ''Heinz-Dietrich Steinmeyer'', Private und betriebliche Altersvorsorge zwischen Sicherheit und Selbstverantwortung, Gutachten F zum 65. Deutschen Juristentag in Bonn 2004, 2004; ''Wolfgang'' ''Blomeyer'', ''Christian Rolfs'', ''Klaus Otto'', Betriebsrentengesetz: Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, 4. Aufl. 2006; ''Gordon L. Clark'','' Alicia H. Munnell'','' J. Michael Orszag ''(Hg.), Oxford Handbook of Pensions and Retirement Income, 2006; ''Peter'' ''Hanau'','' Marco S. Arteaga'','' Volker Rieble'','' Annekatrin Veit'', Entgeltumwandlung, Direktversicherung, Direktzusage, Unterstützungskasse, Pensionskasse, Pensionsfonds, 2. Aufl. 2006; ''Yu-Wie Hu'', The Impact of Pension Funds on Financial Markets, ''OECD'' Financial Market Trends 91 (2006/2) 145 ff.; ''Markus Roth'', Private Altersvorsorge: Betriebsrentenrecht und individuelle Vorsorge: Eine rechtsvergleichende Gesamtschau, 2009.
''Hans-Christoph Matthes'', § 328, in: Reinhard Richardi, Otfried Wlotzke (Hg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3, 2. Aufl. 2000; ''Ulrich Runggaldier'', Flexibilisierung des Arbeitsrechts und Tarifvertragsrecht. Österreich und Italien im Vergleich, in: Industrielle Beziehungen 2003, 41 ff.; ''Bruno'' ''Caruso'', Sistemi contrattuali e regolazione legislativa in Europa, in: Giornale di Diritto del Lavoro e di Relazioni Industriali 2006, 581 ff.; ''Alberto Pizzoferrato'', Il contratto collettivo di secondo livello come espressione di una cultura cooperativa e partecipativa, in: Rivista Italiana di Diritto del Lavoro 2006, 434 ff.;'' Franz Gamillscheg'', Kollektives Arbeitsrecht, Bd. 2, 2008, 756 ff; Literatur zum ''spanischen'', ''französischen'' und ''englischen'' Recht der Betriebsvereinbarung in ''Franz Gamillscheg'', Kollektives Arbeitsrecht, Bd. 2, 2008, 757 ff.; ''Rudolf Strasser'', §§ 29-32, in: Rudolf Strasser, Peter Jabornegg, Reinhard Resch (Hg.), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (Loseblatt).


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Version vom 8. September 2021, 12:34 Uhr

von Ulrich Runggaldier

1. Gegenstand und Zweck

Der Begriff Betriebsvereinbarung ist lediglich im deutschsprachigen Raum fest verankert. In den übrigen europäischen Ländern gibt es zwar Rechtsinstitute, die ähnliche Zielsetzungen und Aufgaben wahrnehmen, doch sind diese vom Institut der „Betriebsvereinbarung“ abzugrenzen. Die „Betriebsvereinbarung“ ist ein zentraler Baustein der sogenannten „Betriebsverfassung“. Begriff, Funktion und Ziel der Betriebsvereinbarung sind daher nur unter Berücksichtigung der Grundlagen der Betriebsverfassung verständlich. Die Betriebsverfassung hat den im Betrieb, Unternehmen oder Konzern bestehenden Interessengegensatz von Kapital und Arbeit in vertrauensvoller Zusammenarbeit auszugleichen (§ 2 Abs. 1 BetrVG; § 39 Abs. 1 österreich. ArbVG, der wie folgt lautet: „Ziel der Bestimmungen über die Betriebsverfassung und deren Anwendung ist die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes“). Der genannte Interessenausgleich erfolgt in aller Regel durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen.

Die Betriebsvereinbarung selbst ist ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen ihrer Zuständigkeit geschlossener Vertrag über betriebliche Angelegenheiten. Die Betriebsvereinbarung ist gemeinsam von Arbeitgeber und Betriebsrat zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Zum Zwecke der Kundmachung hat der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.

Die Betriebsvereinbarung darf nicht jedwede Angelegenheit regeln. Das Gesetz umschreibt nämlich die Angelegenheiten, die Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Das österreichische Recht nennt ausdrücklich jene Bereiche und Angelegenheiten, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist (§§ 96, 96a, 97 ArbVG; darunter die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer, sofern diese Maßnahmen die Menschenwürde berühren; oder allgemeine Ordnungsvorschriften; nicht jedoch Regelungen, die das laufende Entgelt betreffen).

Nach deutschem Recht können hingegen Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Das bedeutet, dass der Tarifvertrag der Betriebsvereinbarung vorgeht. Damit ist auch klargestellt, dass die betriebliche Regelungsebene von der außerbetrieblichen Regelungsebene zu unterscheiden ist, wobei die Betriebsvereinbarungsparteien die Vorgaben der zuständigen Tarifverträge zu beachten haben.

Die Betriebsvereinbarung gilt unmittelbar und zwingend und ist insoweit dem Tarifvertrag ähnlich. Unmittelbare Wirkung einer Betriebsvereinbarung bedeutet, dass diese wie ein Gesetz von außen auf das Arbeitsverhältnis einwirkt. Den Regelungen der Betriebsvereinbarung kommt daher normative Wirkung zu. Zwingende Wirkung besagt, dass die Betriebsvereinbarung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht abbedungen werden darf (Günstigkeitsprinzip). Die Betriebsvereinbarung selbst kann, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden. Nach deutschem Recht kann nur für Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten der erzwingbaren Mitbestimmung eine Nachwirkung greifen. Betriebsvereinbarungen in Angelegenheiten, die lediglich der freiwilligen Mitbestimmung unterliegen, wirken nicht nach. Im österreichischen Recht ist es im Wesentlichen umgekehrt.

Nach deutschem Recht hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in bestimmten Angelegenheiten mitzubestimmen (etwa Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen: § 87 Abs. 1 BetrVG). Kommt eine Einigung über eine dieser Angelegenheiten nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Dieses Institut hat Schlichtungsfunktionen und – in bestimmten Fallkonstellationen – auch Entscheidungsfunktionen wahrzunehmen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Im Ergebnis bedeutet das, dass der Betriebsrat eine entsprechende Regelung erzwingen kann. Etwas anderes gilt für die freiwillige Betriebsvereinbarung. Eine solche kann nicht erzwungen werden, sondern ist nur dann abschließbar, wenn beide Parteien einen entsprechenden Abschluss vereinbaren (§ 88 BetrVG nennt betriebliche Maßnahmen, die Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein können, was aber nicht bedeutet, dass keine andere Angelegenheit durch Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden kann).

In der betrieblichen Praxis gibt es immer wieder sogenannte „Regelungsabreden“. Die Regelungsabrede ist ein formloser Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der lediglich die Parteien gegeneinander berechtigt und verpflichtet. Die Regelungsabrede entfaltet sohin keine normative Wirkung. Ähnliches gilt in Österreich in Bezug auf die sogenannte „freie Betriebsvereinbarung“, also eine Betriebsvereinbarung, die Angelegenheiten regelt, deren Regelung weder durch Gesetz noch durch Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten sind. Solche Betriebsvereinbarungen sind zwar nichtig, können jedoch schuldrechtliche Wirkungen entfalten.

2. Tendenzen der Rechtsentwicklung

Die Betriebsvereinbarung als Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber war vom deutschen Betriebsrätegesetz 1920 noch nicht vorgesehen. Gleichwohl wurden die in diesem Gesetz geregelten Vereinbarungsvarianten einige Jahre später als Betriebsvereinbarung (bzw. Arbeitsordnung) bezeichnet. Nach überwiegender Meinung wurde diese als Inhalt des Arbeitsvertrages qualifiziert. Auf Grund des „Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit 1934“ (ab 1938 auch in Österreich in Geltung) war der Arbeitgeber für den Erlass der Betriebsordnung zuständig. Das kurz nach Kriegsende erlassene Kontrollratsgesetz Nr. 22 (1946) hat die Betriebsvereinbarung als Institut wieder eingeführt, wobei wieder Betriebsräte gewählt werden konnten. Rechtseinheit in Deutschland wurde erst durch das BetrVG 1952 hergestellt. Seitdem gelten die Bestimmungen des BetrVG 1972, nunmehr in der Fassung vom 25.9.2001 (insbesondere § 77 Abs. 1-6). Eine ähnliche Entwicklung ist für Österreich festzustellen. Die Rechtsinstitute der Betriebsvereinbarung und der Arbeitsordnung wurden im Jahre 1947 gesetzlich neu geregelt und schließlich in das im Jahre 1973 erlassene ArbVG eingebunden (§§ 32 ff.). Derzeit ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich keine größere Reform oder Neuregelung der Betriebsvereinbarung in Sicht. Inwieweit Gemeinschaftsrecht zu einer Umgestaltung der Betriebsvereinbarung nach deutschem und österreichischem Recht notwendig werden wird, ist noch völlig offen.

Weniger verrechtlicht sind die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber (Unternehmen) einerseits und Arbeitnehmerrepräsentanten bzw. Gewerkschaftsbeauftragten andererseits in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere in Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien.

In diesen Staaten gibt es kein der Betriebsvereinbarung nach deutschem bzw. österreichischem Recht vergleichbares Rechtsinstitut. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich in den genannten Staaten Verhandlungsstrukturen auf betrieblicher Ebene herausgebildet haben, die gesetzlich nur ungenügend oder überhaupt nicht geregelt wurden. Das wirft viele Fragen und Probleme auf, die wohl auch in naher Zukunft nicht gelöst werden. Zumeist werden Absprachen getroffen oder/und schriftliche Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen (häufig unter Beteiligung von Gewerkschaftsbeauftragten) abgeschlossen.

Im französischen Recht ist eine Betriebsvereinbarung nach deutschem Muster nicht vorgesehen. Allenfalls kann man die Convention d’Entreprise oder d’Etablissement (also den Firmenkollektivvertrag) als funktionales Äquivalent der Betriebsvereinbarung qualifizieren, sofern diese zwischen Arbeitgeber und dem Gewerkschaftsbeauftragten (Délégué Syndical) der repräsentativen Gewerkschaften abgeschlossen werden. Dagegen ist der Comité d’Entreprise, also der Betriebsrat, kein funktionales Äquivalent, da in ihm lediglich Mitwirkung in Form von Beratung und Verwaltung der sozialen und kulturellen Tätigkeiten erfolgt. Hingegen anerkennt das im Jahre 2004 verabschiedete „Gesetz über den sozialen Dialog“ die gewerkschaftsfreie Betriebsvereinbarung. Danach können – bei Fehlen eines gewerkschaftlichen Partners – auch Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung (Accord d’Entreprise) schließen, die von den übergeordneten Tarifnormen auch nach unten abweichen können. Voraussetzung ist aber, dass ein übergeordneter allgemeinverbindlicher Flächentarif (Convention Collective) die Vereinbarung zulässt. Der übergeordnete Tarifvertrag gibt auch die Themen der Vereinbarung vor, Grenzen sind dieser Freigabe nicht gesetzt.

In Italien fehlt ebenfalls eine gesetzliche Reglementierung von Verträgen zwischen dem Arbeitgeber und den Belegschaftsvertretern (bzw. Gewerkschaftsvertrauensleuten). Wie Verhandlungen auf betrieblicher Ebene geführt werden und wer als Verhandlungspartner auf dieser Ebene dem Arbeitgeber gegenübertritt, ist demnach offen. Allerdings wurde im Jahre 1991 (mit einer Aktualisierung 1993) das sogenannte „Interkonföderale Übereinkommen über die Errichtung und Funktionsweise der einheitlichen betrieblichen Gewerkschaftsvertretungen“ getroffen (accordo interconfederale in materia di rappresentanze sindacali unitarie = RSU). Die nach dem genannten Übereinkommen errichteten RSU bestehen zu zwei Dritteln aus gewählten Repräsentanten der Belegschaft und zu einem Drittel aus Vertretern der Gewerkschaft. In der Regel wird der RSU vom übergeordneten Tarifvertrag die Kompetenz übertragen, über einzelne Agenden mit dem Arbeitgeber sogenannte contratti collettivi aziendali (also Firmenkollektivverträge) abzuschließen. In der betrieblichen Praxis wird bzw. werden aber im Rahmen von betrieblichen Verhandlungen zumeist der RSU ein oder mehrere Gewerkschaftsvertreter zugeordnet. In dem „Interkonföderalen Übereinkommen vom 23.7.1993 über die Einkommens- und Beschäftigungspolitik“ werden nämlich die einheitlichen betrieblichen Gewerkschaftsvertretungen (i.d.R. zusammen mit den örtlichen Organen der Gewerkschaften, die den nationalen Tarifvertrag unterzeichnet haben) als legitimer Verhandlungspartner der Arbeitnehmerseite im Rahmen der Verhandlungen und des Abschlusses von Firmentarifverträgen bezeichnet. Das hat zur Folge, dass Ausgestaltung und Umfang der Betriebsautonomie in Italien von den großen Gewerkschaften (Gewerkschaftsbünden) festgelegt werden. Insbesondere haben die drei großen Gewerkschaftsbünde im genannten Interkonföderalen Übereinkommen aus 1993 eine Teilung der Kompetenzen zwischen dem Branchenkollektivvertrag und dem Firmenkollektivvertrag vereinbart. Danach dürfen die Firmentarifverträge nicht jene entgeltbezogenen Angelegenheiten neu oder anders regeln, die im nationalen Branchenkollektivvertrag bereits normiert wurden, wobei die Festlegung leistungsbezogener Zusatzentgelte im Ermessen der Betriebsparteien steht. Im Einzelfall sind auch Abweichungen vom Branchentarifvertrag aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes möglich.

Allerdings sind viele Fragen noch offen; so etwa die Frage, inwieweit dem Firmentarifvertrag eine erga omnes-Wirkung zukommt; oder die Frage der Zulässigkeit der Adaptierung zwingender Tarifnormen an die Besonderheiten eines einzelnen Betriebes. Es nimmt daher nicht wunder, dass die rechtlich nicht bindenden Regelungen des Interkonföderalen Übereinkommens vom 23.7.1993 einer breiten Kritik ausgesetzt sind. Erhebliche Teile der Rechtslehre fordern deshalb eine Neuausrichtung der betrieblichen Verhandlungs- und Vertragsebene. Insbesondere wird die unmittelbare und zwingende, sowie die erga omnes-Wirkung der Firmenkollektivverträge gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern eingemahnt, sowie eine Ausweitung der Angelegenheiten, die durch Firmenkollektivvertrag geregelt werden können, gefordert.

Komplizierter als das italienische Betriebsverfassungsrecht ist das spanische, insbesondere was Vereinbarungen und Absprachen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite auf betrieblicher Ebene anbelangt. So werden unter den Begriff Convenio Colectivo verschiedene Varianten des Kollektivvertrages subsumiert (etwa der Tarifvertrag, der Firmentarifvertrag oder auch Haustarifvertrag und die Betriebsvereinbarung); es gibt also keine grundlegende Unterscheidung zwischen Firmenkollektivvertrag und Betriebsvereinbarung. Der Convenio Colectivo kann auch nebeneinander vom Betriebsrat bzw. den Belegschaftsvertretern und der Gewerkschaftsabteilung im Betrieb abgeschlossen werden. Eine gesetzliche Regelung des acuerdo de empresa (Betriebsvereinbarung) ist freilich unterblieben; man greift daher auf das allgemeine Vertragsrecht zurück und sucht die Lösung in der analogen Anwendung der einen oder anderen Bestimmung zum Convenio Colectivo.

In Großbritannien wird man im Allgemeinen davon auszugehen haben, dass eine britische „Betriebsvereinbarung“ eine Vereinbarung ist, die zwischen dem Arbeitgeber einerseits und dem shop steward, der für seine Gewerkschaft handelt, andererseits abgeschlossen wird (collective agreement). In Bezug auf Fragen der Arbeitszeit ist auch das workforce agreement von Relevanz (dazu die Working Time Regulation 1999, Schedule 1)

Das collective agreement gilt, wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich vereinbart wird, zwischen den Vertragspartnern nicht als Vertrag im üblichen Sinn, es hat nämlich keine bindende Wirkung. Der Inhalt des Vertrages wird dagegen Teil des Arbeitsvertrages (also incorporated), kraft vermuteter Übernahme. Gegenstand der Übernahme sind die in Abkommen enthaltenen Arbeitsbedingungen. Die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag hat den Vorteil, dass der Anspruch erhalten bleibt, wenn der Arbeitgeber der Gewerkschaft die Anerkennung entzieht; allerdings mit dem Nachteil, dass die Parteien des Arbeitsvertrages auf Grund der „Vertragsfreiheit“ nicht gehindert sind, schlechtere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren.

Wie diese Kurzübersicht zum Recht der Betriebsvereinbarung in wichtigen Mitgliedstaaten verdeutlicht, sind folgende Fragen nach wie vor nicht gelöst bzw. umstritten:

Besonders problembehaftet ist das Verhältnis zwischen der überbetrieblichen Regelungsebene einerseits und der betrieblichen Regelungsebene andererseits. Das gilt etwa in Bezug auf die Sperrklausel des § 77 Abs. 3 BetrVG; auf die Begrenzung der Regelungsmacht der Betriebsparteien durch das Gesetz in Österreich; auf die nach wie vor bestehenden Unklarheiten in Bezug auf den Umfang der Regelungsbefugnis der Betriebsparteien gegenüber den Vorgaben der Tarifparteien in Italien. Nicht zuletzt wird aus rechtspolitischer Sicht von verschiedener Seite eine stärkere, vom Flächentarifvertrag nicht zu stark eingeschränkte Regelungsautonomie der Betriebsparteien gefordert: Letztere kennen die wirtschaftliche Situation des Betriebes (Unternehmens), die Wünsche und die Kritik der Belegschaft besser als die abgehobenen „Gewerkschaftsführer“. Diesen Bedürfnissen sollen die in Deutschland und Österreich (teilweise) etablierten Öffnungsklauseln nachkommen. Diese haben jedoch nicht jene Ziele erreicht, die mit deren Einführung erwartet wurden; sie sind daher kein Königsweg zur Entschärfung der Konflikte zwischen Regelungsebenen bzw. zwischen den Branchen- bzw. Flächentarifverträgen einerseits und der Betriebsvereinbarung andererseits.

Bleibt die Frage, ob der Erweiterung der Betriebsautonomie durch Gesetz der Arbeitnehmerschutz-Gedanke entgegensteht, zumal etwa in Deutschland und in Österreich von Seiten der Betriebsräte Streiks zur Durchsetzung weiterer Regelungskompetenzen nicht erlaubt sind. Von der außerbetrieblichen Gewerkschaft dürften sich ohnehin viele Arbeitnehmer mehr erwarten als vom Abschluss von Betriebsvereinbarungen.

Vereinheitlichungsprojekte hinsichtlich des Rechtsinstituts der Betriebsvereinbarung sind nach alledem auf Gemeinschaftsebene nicht auszumachen. Die jeweiligen nationalen Betriebsverfassungen hüten eifersüchtig ihr eigenes System und tendieren nicht in Richtung einer Vereinheitlichung. Auch die viel gepriesene offene Methode der Koordinierung dürfte zumindest hinsichtlich der hier thematisierten Materie keine Vereinheitlichung befördern.

3. Vereinheitlichungsprojekte

Das Gemeinschaftsrecht hat sich bisher mit dem Themenbereich betrieblicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber/Unternehmen und Arbeitnehmer bzw. Gewerkschaftsrepräsentanten nicht befasst. Allenfalls kann man die RL 2002/14 vom 11.3.2002 als einen ersten Ansatz zum Ausbau einer gemeinschaftsrechtlichen Betriebsverfassung qualifizieren. Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung eines allgemeinen Rahmens mit Mindestvorschriften für das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretungen von in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen und Betrieben. Die Unterrichtung und Anhörung soll im Geiste der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer-Vertretungen und Arbeitgeber erfolgen.

Unter Unterrichtung ist gemäß der Richtlinie „die Übermittlung von Informationen“ durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer-Vertreter zu verstehen. Diese Informationen sollen den Vertretern Gelegenheit zur Kenntnisnahme und Prüfung der behandelten Fragen geben. Anhörung bedeutet der Richtlinie zufolge „die Durchführung eines Meinungsaustausches und eines Dialoges zwischen Arbeitnehmer-Vertretern und dem Arbeitgeber“.

Die Unterrichtung betrifft die wirtschaftliche Situation des Unternehmens oder des Betriebes; Unterrichtung und Anhörung beziehen sich auf die Beschäftigungssituation und wahrscheinliche Beschäftigungsentwicklung sowie Entscheidungen, die wesentliche Veränderungen der Arbeitsorganisation oder der Arbeitsverträge mit sich bringen können.

Die Unterrichtung und die Anhörung haben so zu erfolgen, dass die Arbeitnehmervertreter die Inhalte prüfen und hierzu noch rechtzeitig Stellung nehmen können.

Regelungen, die Betriebsvereinbarungen betreffen (könnten), sind dieser Richtlinie nicht zu entnehmen. Fazit ist daher, dass es im europäischen Recht keine Vorschriften zur Vereinheitlichung der in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestalteten (normativ wirkenden) Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen bzw. Gewerkschaftsvertretungen gibt. Nur bedingt kann man die schriftliche Vereinbarung zwischen den besonderen Verhandlungsgremien und der Unternehmens(Konzern)leitung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates als eine Betriebsvereinbarung qualifizieren. Die genannte Vereinbarung regelt ja nur wie der Europäische Betriebsrat ausgestaltet sein soll und welche Funktionen er ausüben soll.

Literatur

Hans-Christoph Matthes, § 328, in: Reinhard Richardi, Otfried Wlotzke (Hg.), Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. 3, 2. Aufl. 2000; Ulrich Runggaldier, Flexibilisierung des Arbeitsrechts und Tarifvertragsrecht. Österreich und Italien im Vergleich, in: Industrielle Beziehungen 2003, 41 ff.; Bruno Caruso, Sistemi contrattuali e regolazione legislativa in Europa, in: Giornale di Diritto del Lavoro e di Relazioni Industriali 2006, 581 ff.; Alberto Pizzoferrato, Il contratto collettivo di secondo livello come espressione di una cultura cooperativa e partecipativa, in: Rivista Italiana di Diritto del Lavoro 2006, 434 ff.; Franz Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. 2, 2008, 756 ff; Literatur zum spanischen, französischen und englischen Recht der Betriebsvereinbarung in Franz Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. 2, 2008, 757 ff.; Rudolf Strasser, §§ 29-32, in: Rudolf Strasser, Peter Jabornegg, Reinhard Resch (Hg.), Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz (Loseblatt).