Benelux

Aus HWB-EuP 2009
Version vom 8. September 2021, 11:01 Uhr von Richter (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

von Liane Schmiedel

1. Begriff und Geschichte

Benelux ist zum einen die Kurzbezeichnung für die geographische Region der Länder Belgien, Niederlande (Nederlanden) und Luxemburg. Mit Benelux wird jedoch zugleich auch die zwischen diesen Ländern mit Vertrag vom 3.2.1958 ins Leben gerufene L’Union Economique Benelux (Benelux Economische Unie, hier: Benelux-Wirtschaftsunion) sowie der Vertrag L’Traité Union Economique Benelux (Benelux Unieverdrag – hier: UV) selbst bezeichnet.

Aufgrund der gemeinsamen politischen Geschichte der beteiligten Länder entstand schon Anfang des vorigen Jahrhunderts die Idee einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Durch den Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen sowie eine gemeinsame Außenhandels- und Finanzpolitik sollte der Aufbau der, unter anderem vom Ersten Weltkrieg stark geschädigten, Wirtschaft beschleunigt werden. Bereits am 25.7.1921 wurde daher der Vertrag über eine Wirtschafts- und Währungsunion zwischen Belgien und Luxemburg (Union Economique Belgo-Luxembourgeoise – UEBL) unterzeichnet, der bis heute gilt (zuletzt verlängert 2002). Durch diesen Vertrag wurde zwischen Belgien und Luxemburg eine Freihandelszone mit einer einheitlichen Zollgrenze nach außen geschaffen und in der Folge 1944 die beiden Währungen zusammengeschlossen. Daneben einigten sich bereits 1932 Belgien und Luxemburg mit den Niederlanden in der Konvention von Ouchy auf eine Senkung der Handelstarife, die jedoch aufgrund der Widerstände von Drittstaaten gegen die einseitige Begünstigung nicht umgesetzt werden konnte. Erst 1944 kam es schließlich zur Gründung der Benelux-Zollunion, aufgrund derer am 1.1.1948 die innergemeinschaftlichen Zölle abgeschafft wurden und ein gemeinsamer Außenhandelstarif in Kraft trat. Die Bemühungen zu einer vollständigen Wirtschaftsunion wurden fortgesetzt und führten 1949 zur Gründung einer Vorunion. Weitere Verträge auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Zusammenarbeit folgten, bis 1958 schließlich der Benelux-Vertrag, der zum 1.11.1960 in Kraft trat, abgeschlossen wurde.

2. Gegenstand der Benelux-Wirtschaftsunion

Durch diesen Vertrag wurde zwischen den Ländern zunächst eine Wirtschaftsunion errichtet (Art. 1(1) UV). Die Union umfasst die Koordination der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der beteiligten Länder sowie eine gemeinschaftliche Außenwirtschaftspolitik. Innerhalb der Länder wurde zudem ein freier Binnenmarkt geschaffen. Der Personen-, der Waren-, der Kapital- und der Dienstleistungsverkehr (Art. 2-5 UV) wurden von allen zwischenstaatlichen Beschränkungen freigestellt. Hinsichtlich der Personen und der Güter galt nunmehr der Gleichbehandlungsgrundsatz. Die gemeinsame Außenwirtschaftspolitik umfasst einen gemeinsamen Zolltarif sowie die Festlegung gemeinschaftlicher Ein- und Ausfuhrkontingente (Art. 11 UV). Im Verhältnis zu Drittstaaten sollte auch im Übrigen eine gemeinsame Handelspolitik, unter anderem durch den gemeinschaftlichen Abschluss entsprechender Verträge (Art. 10 UV), verfolgt werden. Des Weiteren wurde in Art. 12 UV eine koordinierte Währungspolitik vorgesehen, die nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems 1971 zur Einführung eines festen Wechselkursmechanismus zwischen den Staaten führte. Mit Abschluss des Protokolls zur Beseitigung von Kontrollen und Formalitäten an den Binnengrenzen sowie von Behinderungen des freien Verkehrs von 1960 und der Konvention über die Vereinheitlichung des Zollgebiets der Benelux von 1969 gab es zwischen den Ländern praktisch keine Handelsbeschränkungen mehr. Die Benelux-Wirtschaftsunion war damit der erste vollkommen freie internationale Wirtschafts- und Arbeitsraum.

3. Institutioneller Charakter und Organe der Benelux-Wirtschaftsunion

Die Benelux-Wirtschaftsunion besitzt Rechtspersönlichkeit soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist (Art. 95 UV), jedoch soll sie nach dem Willen der Gründungsstaaten keine Völkerrechtspersönlichkeit besitzen. Ihren Organen ist keine Handlungskompetenz gegenüber Drittstaaten eingeräumt. Neben der Benelux-Wirtschaftsunion besteht die UEBL, innerhalb derer ebenfalls bereits ein gemeinsamer Binnenmarkt verwirklicht wurde, gemäß Art. 94 UV fort, soweit sie eine engere Kooperation darstellt. Der Vertrag über die Gründung der Zollunion von 1944 wurde dagegen aufgehoben.

Anders als die Europäische Gemeinschaft (EG) ist die Benelux-Wirtschaftsunion keine supranationale Organisation, sondern lediglich eine intergouvernmentale Struktur. So können zum einen Entscheidungen innerhalb der Benelux-Wirtschaftsunion nicht gegen den erklärten Willen der Mitgliedstaaten getroffen werden (Art. 18 UV), zum anderen sind die Befugnisse der Organe äußerst schwach ausgeprägt. Des Weiteren richten sich die innerhalb der Benelux getroffenen Maßnahmen grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten und bedürfen der Umsetzung in nationales Recht. Unmittelbar die Bürger der Mitgliedstaaten bindende Maßnahmen sind nicht vorgesehen. Die Verträge und Abkommen, die zur Durchsetzung der Ziele geschlossen werden, bedürfen ebenfalls jeweils der Ratifikation durch die Nationalparlamente.

Das höchste Organ der Benelux-Wirtschaftsunion ist das Ministerkomitee, das aus je drei Regierungsmitgliedern der beteiligten Länder gebildet wird. In ihm werden zum einen die Beschlüsse zur Ausführung der Verträge und Protokolle getroffen (Art. 16 UV), daneben obliegt es ihm, die Wirtschaftsverträge zwischen den Benelux- und Drittstaaten zu entwerfen und auszuhandeln. Unterzeichnet werden diese Verträge jedoch von Vertretern der Staaten, nicht vom Ministerkomitee selbst. Schließlich kommen ihm organisatorische Befugnisse gegenüber den weiteren Organen der Benelux-Wirtschaftsunion und das Recht zur Einsetzung von gemeinsamen Dienststellen, Arbeitsgruppen und Ausschüssen zu. Als Mittel der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung in der Benelux-Wirtschaftsunion sind bindende Beschlüsse und nicht bindende Empfehlungen des Ministerkomitees vorgesehen.

Zentrales Administrativorgan ist das Generalsekretariat in Brüssel. Es koordiniert die Arbeit der einzelnen Stellen und ist verantwortlich für die verwaltungstechnische Umsetzung. Weitere Organe sind der Rat der Wirtschaftsunion (Unionsrat) sowie der interparlamentarische Rat (Benelux-Parlament). Der Unionsrat kooridiniert die Arbeit der sieben Ausschüsse (Außenhandel, Finanzen, Industrie und Handel, Landwirtschaft, Zölle und Steuern, Verkehr, Soziales) und fünf Sonderausschüsse (Statistik, Haushalt, Ausschreibungen, Gesundheit, Mittelstand), die gemäß Art. 28 und 29 UV für die Arbeit in den einzelnen Politikfelder der Union eingesetzt sind, und besitzt ein Vorschlagsrecht für Maßnahmen zur Umsetzung des Unionsvertrages. Er setzt sich aus hohen Beamten der Ministerien der jeweiligen Länder zusammen. Das Benelux-Parlament, das aus 49 Abgeordneten besteht, wird ausschließlich als beratendes Gremium tätig. Es kann Entschließungen zu Fragen der Benelux-Wirtschaftsunion, der kulturellen Annäherung, der außenpolitischen Zusammenarbeit und der Rechtsvereinheitlichung treffen, ist jedoch nicht direkt an der Beschlussfassung und den Verträgen beteiligt. Es besteht allerdings eine ständige Übung der Regierungen, das Benelux-Parlament regelmäßig vor dem Abschluss von Verträgen und Abkommen anzuhören. Als weiteres beratendes Organ ist daneben momentan noch der Wirtschafts- und Sozialbeirat, zusammengesetzt aus Vertretern der ökonomischen und sozialen Betriebsorganisationen der einzelnen Länder, vorgesehen.

Für Streitigkeiten zwischen den Ländern über die Auslegung der Verträge und Beschlüsse sehen Art. 41 ff. UV ein Schiedsrichterkollegium vor, das über Streitigkeiten zwischen den Organen schlichten soll und Rechtsgutachten zu Fragen des UV auf Antrag des Ministerkomitees erstellen kann. In der Praxis ist das Schiedsrichterkollegium jedoch bedeutungslos geblieben.

Besondere Bedeutung kommt dagegen dem Benelux-Gerichtshof zu, der durch Vertrag vom 31.3.1965 nach dem Vorbild des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) errichtet wurde und 1974 seine Arbeit aufgenommen hat. Dieser besteht aus jeweils drei Richtern des höchsten Gerichts der beteiligten Länder sowie Generalanwälten. Der Gerichtshof soll zum einen die einheitliche Auslegung und Entwicklung des Gemeinschaftsrechts sicherstellen. Der Gerichtshof entscheidet zu diesem Zwecke im Wege des Vorlageverfahrens über die Interpretation von Gemeinschaftsrecht. Jeder nationale Richter kann dazu Streitfragen, in denen Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht berührt werden, dem Gerichtshof vorlegen (Art. 6(2) Traité du 23 mars 1965 relatif à l’institution et au statur d’une Cour Justice). Er ist dazu in der Regel verpflichtet, wenn es keine Möglichkeit der rechtlichen Anfechtung seiner Entscheidung mehr gibt (Art. 6(3)). Der Gerichtshof gibt in diesem Fall ein bindendes Urteil über die Auslegung der entsprechenden Norm. Dieses Urteil bindet jedoch nur das vorlegende Gericht und die nachfolgenden Instanzen. Anders als im Rahmen des Vorlageverfahrens vor dem EuGH unterliegen der Überprüfung durch den Benelux-Gerichtshof auch nur die Verträge, Protokolle, Abkommen sowie Beschlüsse des Ministerkomitees und Beschlüsse des Büros für Geistiges Eigentum, die ihm zur Überprüfung ausdrücklich zugewiesen wurden. Neben dem Vorlageverfahren kann der Gerichtshof zur Wahrung der Einheitlichkeit im Rahmen seiner Überprüfungskompetenz auf Anfrage der Regierungen der beteiligten Länder Gutachten zu Fragen der Auslegung von Gemeinschaftsrecht erstellen (Art. 10). Die zweite Aufgabe des Gerichtshofs besteht in der Entscheidung über Beamtenrechtsstreitigkeiten, die durch Beamte der Union sowie Mitarbeiter des Büros für Geistiges Eigentum vor ihn gebracht werden können. Aufgrund der intergouvernementalen Struktur der Benelux-Wirtschaftsunion besitzt der Gerichtshof, anders als der EuGH und das Europäische Gericht erster Instanz, dagegen keine Befugnisse für Individualklagen oder Streitigkeiten der Organe bzw. der Mitgliedstaaten der Benelux-Wirtschaftsunion untereinander. Über Maßnahmen der Organe kann er nur begrenzt im Rahmen der nicht bindenden Gutachten befinden.

4. Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Wirtschaftsrechts

Neben der Herstellung des gemeinsamen Binnenmarktes widmete sich die Benelux-Wirtschaftsunion in den Anfangsjahren vor allen Dingen der Angleichung der Rechtsnormen im wirtschaftlichen Bereich. Schon vor der Gründung der Benelux-Wirtschaftsunion war 1948 zum Zweck der Rechtsangleichung eine Belgisch-Niederländisch-Luxemburgische Kommission zur Prüfung der Vereinheitlichung des Rechts ins Leben gerufen worden. Bedeutung für den europäischen Rechtsraum haben insbesondere der Vertrag über das Markenrecht 1962 (Convention Benelux en matière de marques de produits) und der Vertrag über Muster und Modelle von 1966 (Convention Benelux en matière de dessins ou modèles) erhalten. Mit diesen wurde innerhalb des Benelux-Gebietes ein einheitlicher Rahmen für das Marken- und Geschmacksmusterrecht (Markenrecht; Geschmacksmusterrecht) geschaffen. Die Registrierung von Marken, Mustern und Modellen übernahmen nunmehr für den Benelux-Raum das Büro für Marken und das Büro für Muster und Modelle. Im Jahr 2001 und 2002 wurden das Markenrecht und das Recht der Muster und Modelle durch das Einheitliche Gesetz über Marken 2001 und das Einheitliche Gesetz über Muster und Modelle 2002 umfassend vereinheitlicht. All diese Regelungen wurden dann schließlich zum 1.9.2006 durch den Vertrag über das Geistige Eigentum (Convention Benelux en matière de propriété intellectuelle) ersetzt. In diesem wird nunmehr sowohl das Recht der Marken als auch der Muster und Modelle einheitlich geregelt. Die Einführung einer neuen beschleunigten Gesetzgebungsprozedur ermöglicht zukünftig die schnelle Anpassung an internationale Rechtsentwicklungen (Internationale Verträge können nun durch einen Beschluss des Ministerkomitees innerhalb der Benelux-Wirtschaftsunion umgesetzt werden.). Gleichzeitig wurden die beiden bisher getrennt operierenden Büros aufgelöst. Verantwortlich für die Registrierung und Verwaltung der Marken und Muster ist jetzt ein gemeinsames Büro, L’Office Benelux de la Propriété intellectuelle, das nunmehr internationale Rechtspersönlichkeit besitzt.

Weitere rechtsvereinheitlichende Schritte wurden im Bereich des Versicherungsrechts unternommen. So wurde mit dem Vertrag über die verpflichtende Unfallversicherung von Kraftfahrzeugen von 1966, in Kraft seit 1976, eine einheitliche Rechtsgrundlage für Ansprüche aus Unfäl- len mit Kraftfahrzeugen geschaffen. Eine Rechtsvereinheitlichung fand durch Vertrag von 1973 auch im Bereich des Zwangsgeldes statt. Eine ebenfalls angedachte Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts scheiterte dagegen. Zwar wurde bereits 1951 zwischen den Niederlanden, Belgien und Luxemburg ein dementsprechender Vertrag geschlossen (Vertrag zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes betreffend das Internationale Privatrecht in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg). Der 1969 daraus hervorgegangene Benelux-Vertrag zur Verabschiedung eines einheitlichen Gesetzes zum internationalen Privatrecht wurde jedoch nie ratifiziert. Auch die Verträge zur Vereinheitlichung des Rechts des Handelsvertreters und der Vertragsstrafe von 1973 wurden nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert, bildeten jedoch teilweise die Grundlage für entsprechende nationale Rechtsvorschriften.

5. Weitere Politikfelder der Benelux-Wirtschaftsunion

Anders als die Verträge zu den Europäischen Gemeinschaften enthält der UV neben der Vereinbarung über den freien Austausch von Gütern, Arbeitskräften, Dienstleistungen und Kapital nur wenige konkrete Zielbestimmungen. Neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird die Benelux-Wirtschaftsunion jedoch auch in den Bereichen Polizei, Justiz und Inneres sowie, seit den 1980er Jahren, im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit tätig. So wurde bereits 1968 ein Abkommen über die Vollstreckung von Urteilen in Strafsachen abgeschlossen. 1970 folgten Abkommen über den Umgang mit gefährlichen Werkzeugen sowie Waffen und Munition. Allerdings wurden diese Abkommen ebenfalls nicht in allen Mitgliedstaaten ratifiziert. In den letzten Jahren standen insbesondere die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, der Umweltschutz, die nachhaltige Entwicklung sowie der soziale und kulturelle Bereich im Vordergrund der Zusammenarbeit. Grundlage für die Arbeit im Bereich Justiz, Inneres und Immigration ist seit 1996 das sogenannte Senningen-Memorandum, das 2003 erneuert und ausgeweitet wurde. In Umsetzung dieses Memorandums wurde 2004 unter anderem der Vertrag über die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit geschlossen. Dieser ermöglicht eine Koordination der Zusammenarbeit der Polizeibehörden auf den unterschiedlichen Ebenen und den Einsatz von Polizeikräften aus den drei Ländern im Staatsgebiet der jeweils anderen Staaten ohne deren vorhe- rige Zustimmung. Vorausgegangen war bereits 1962 der Vertrag über die Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen.

Mit Fragen des grenzüberschreitenden Transports beschäftigt sich die Euro Contrôle Route, eine Initiative von nunmehr 14 europäischen Staaten, die seit dem Jahr 1999 operiert. Innerhalb dieser werden gemeinsame Kontrollen durchgeführt und an einheitlichen Sicherheitsstandards für den Transportverkehr gearbeitet. Die Benelux-Wirtschaftsunion wirkt außerdem zusammen mit Deutschland und Frankreich im Pentalateral Energy Forum, einer Initiative zur Formung eines regionalen Energiemarktes zur nachhaltigen Sicherung der Versorgung, mit. Weiterer Fokus der Zusammenarbeit sind Fragen der sozialen Sicherung von Grenzarbeitern und des Verbraucherschutzes (Verbraucher und Verbraucherschutz).

Nach der Verwirklichung des Binnenmarktes agierte die Benelux-Wirtschaftsunion, mit Ausnahme des Rechts des geistigen Eigentums, insgesamt weniger als rechtssetzende Körperschaft, denn vielmehr als politische Initiative. Dies liegt zum großen Teil in ihrer Struktur begründet. Anders als die EG kann sich die Benelux-Wirtschaftsunion aufgrund der fehlenden eigenständigen Rechtsetzungsbefugnis nicht unabhängig vom Willen der Mitgliedstaaten weiterentwickeln. So bedürfen alle Abkommen der Ratifikation durch die nationalen Parlamente, die in vielen Fällen verweigert wurde, und auch Beschlüsse des Ministerkomitees können nicht gegen den Willen eines Mitgliedstaates gefasst werden. Die Benelux-Wirtschaftsunion wird daher momentan vor allem als Forum für die Auseinandersetzung mit den die beteiligten Länder gleichermaßen betreffenden, grenzüberschreitenden Fragen genutzt und bietet Raum für, vor allem regional angelegte, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, insbesondere im Naturschutz, der nachhaltigen Entwicklung und der Raumplanung.

6. Verhältnis der Benelux-Wirtschaftsunion zur EG

Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Römischen Verträge zur Gründung der EWG bestand die Benelux-Wirtschaftsunion, wenn auch noch nicht durch einen Vertrag verfestigt, als gemeinsame Initiative bereits. Die beteiligten Länder wollten diese Wirtschaftunion unabhängig vom Tempo der Integration und der Herstellung des gemeinsamen Binnenmarktes innerhalb der EWG (Europäischer Binnenmarkt) weiter verfolgen. In den EWG-Vertrag wurde daher eine Klausel aufgenommen, welche die Durchführung der Benelux-Wirtschaftsunion neben der EWG gestattete, soweit deren Ziele nicht bereits durch die EWG erreicht werden (Art. 233 EWGV). Die Benelux-Wirtschaftsunion genießt deshalb auch heute noch, nunmehr gemäß Art. 306 EG/ Art. 350 AEUV, Bestandsschutz, soweit sie im Verhältnis zur EU eine engere Kooperation darstellt.

Das Modell der Benelux-Wirtschaftsunion ist auf der anderen Seite auch nicht ohne Einfluss auf die EG geblieben. Von den beteiligten Ländern ging nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1955 ein entscheidender Impuls zu den Römischen Verträgen aus. Als erster vollständig freier internationaler Wirtschafts- und Arbeitsraum entfaltete die Benelux-Wirtschaftsunion zudem Vorbildwirkung für die entsprechenden Initiativen innerhalb der EG. Neben dem gemeinschaftlichen Binnenmarkt diente so unter anderem das Protokoll zur Beseitigung von Kontrollen und Formalitäten an den Binnengrenzen sowie von Behinderungen des freien Verkehrs von 1960 als Vorbild für das, mittlerweile vergemeinschaftete, Schengener Abkommen von 1985, und der im Rahmen der koordinierten Währungspolitik eingeführte Wechselkursmechanismus war Vorbild für den ECU. Die Benelux-Wirtschaftsunion wird deshalb in der Literatur gelegentlich auch als Keimzelle der EG bezeichnet.

Durch die zunehmende Integration innerhalb der EG und der Europäischen Union (EU) ist die Benelux-Wirtschaftsunion von ihrer Zielsetzung her jedoch heute zum großen Teil überholt. So ist insbesondere der gemeinsame Binnenmarkt mittlerweile auch in der Europäischen Gemeinschaft voll verwirklicht. Als Betätigungsfeld bleiben ihr die Politikfelder, in denen die Vergemeinschaftung innerhalb der EU noch nicht so weit fortgeschritten ist und die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, wie zum Beispiel der Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums (RL 2004/48, Geistiges Eigentum (Durchsetzung)). Die Benelux-Wirtschaftsunion dient den beteiligten Ländern daneben als Forum für die Koordination ihrer politischen Positionen innerhalb der EU und gegenüber anderen internationalen Organisationen. Die dadurch erzielten Ergebnisse sind jedoch aufgrund der durchaus unterschiedlichen außenpolitischen Interessen der beteiligten Länder divers. Es bleibt abzuwarten, ob die Benelux-Union aufgrund des am 17.6.2008 abgeschlossenen neuen Vertrages, der eine erweiterte Zielsetzung enthält und die Befugnisse der Organe verstärkt, in Zukunft wieder mehr Bedeutung erlangen kann.

7. Vertrag zur Erneuerung der Benelux-Wirtschaftsunion

Die Laufzeit der Benelux-Wirtschaftsunion war auf 50 Jahre begrenzt (Art. 99 UV). Am 17.6.2008 wurde daher ein neuer Vertrag betreffend die Benelux-Wirtschaftsunion, Traité portant revision du Traité instituant l'Union économique Benelux signe le 3 fevrier 1958 (Verdrag tot herziening van het op 3 februari 1958 gesloten verdrag tot instelling van de Benelux Economische Unie, hier: HUV), unterzeichnet, der jedoch noch der Ratifizierung durch die beteiligten Vertragsstaaten bedarf.

Der Vertrag trägt der Entwicklung der Benelux-Wirtschaftsunion, über eine bloße Wirtschaftsunion hinaus, hin zu einer umfassenderen politischen Zusammenarbeit, Rechnung. Neben der Wirtschaftsunion und dem gemeinsamen Binnenmarkt werden die Bereiche Justiz und Inneres sowie die nachhaltige Entwicklung des Lebensraums als Ziele mit in den Vertrag aufgenommen (Art. 2 HUV). Auch äußerlich wird durch die Umbenennung der L’Union Economique Benelux in Union Benelux (Benelux-Union) der gewandelte Charakter zum Ausdruck gebracht. Zur Verwirklichung der Ziele ist nunmehr ein jeweils auf vier Jahre angelegtes Arbeitsprogramm aufzustellen (Art. 3 HUV). Der Schiedsgerichtshof und der Wirtschafts- und Sozialrat, die nie wirkliche Bedeutung erlangt haben, werden abgeschafft. Dagegen wird der Benelux-Gerichtshof als sechstes Organ mit in den Vertrag aufgenommen. Geregelt wird nunmehr auch die internationale Rechtspersönlichkeit der Benelux-Union (Art. 28 HUV). Dem Ministerkomitee und dem Generalsekretariat wird ermöglicht, dienstliche Beziehungen zu auswärtigen (Regional‑)Körperschaften, Staaten und internationalen Organisationen zu unterhalten (Art. 25 HUV). Der Vertrag läuft nunmehr unbegrenzt (Art. 39 HUV). Er kann jedoch von den beteiligten Staaten nach einem Zeitablauf von zehn Jahren mit einer dreijährigen Kündigungsfrist gekündigt werden (Art. 39(2) HUV).

Literatur

Frohlinde von Berg, Die Juristische Struktur der Belgisch-Niederländisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion, 1965; Beschoten, C.D. Van, Ontwerp Benelux-verdrag houdende eenvormige wet betreffende het internationaal privaatrecht van 3 juli 1969, 1971; Secretariaat-Generaal van de Benelux Economische Unie, Benelux-Overeenkomst betreffende de agentuurovereenkomst, nach 1973; Rudolf Kraßer, Marcel Gotzen, Das Benelux-Warenzeichenrecht, 1973; Frédéric Dumon, La Cour de Justice Benelux, Benelux Gerechtshof, 1980 und 1983; Mario Hirsch, Benelux ist mehr als nur ein geographischer Begriff: Ein Motor der europäischen Integration in: Eckart D. Stratenschulte, Danuta Kneip, Staatenkooperation in der Europäischen Union, 2003; Charles Gielen, Kort begrip van het Benelux merkenrecht, 2006; Jan Wouters, Luk van Langenhove, Maarten Vidal, Philippe de Lombaerde, Wouter de Vriendt, De Benelux: tijd voor een wedergeboorte?, 2006; Raphaël Mathieu, Le Benelux: Laboratoire de l’intégration ou structure résiduaire au sein de l’Union européenne?, 2006; Irene G.C. Janssen, Benelux: Closer Cooperation within the EU?, 2006; Jan Wouters, Maarten Vidal, De Benelux: betekenis voor de rechtspraktizijn, in: VGR-Alumni, Recht in Beweging – 14de VGR-Alumni dag, 2007.

Abgerufen von Benelux – HWB-EuP 2009 am 28. März 2024.

Nutzungshinweise

Das Handwörterbuch des Europäischen Privatrechts, als Printwerk im Jahr 2009 erschienen, ist unter <hwb-eup2009.mpipriv.de> als Online-Ausgabe frei zugänglich gemacht.

Die hier veröffentlichten Artikel unterliegen exklusiven Nutzungsrechten der Rechteinhaber des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und des Verlages Mohr Siebeck; sie dürfen nur für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Nutzer dürfen auf die öffentlich frei zugänglich gemachten Artikel zugreifen, diese herunterladen, Ausdrucke anfertigen und Kopien der Dateien anfertigen. Weiterhin dürfen Nutzer die Artikel auszugsweise übersetzen und im Rahmen von wissenschaftlicher Arbeit zitieren, sofern folgende Anforderungen erfüllt werden:

  • Nutzung zu nichtkommerziellen Zwecken
  • Erhalt der Text-Integrität des Artikels und seiner Bestandteile
  • Zitieren der Fundstelle gemäß wissenschaftlichen Standards unter Angabe von Autoren, Stichworttitel, Werkname, Jahr der Veröffentlichung (siehe Zitiervorschlag).